Juli 2015

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[expand title=“Wolfgang A. Mozart – Die Entführung aus dem Serail Ouvertüre“]

Die Entführung aus dem Serail (KV 384) ist ein Singspiel in drei Akten von Wolfgang Amadeus Mozart (*1756 in Salzburg, †1791 in Wien) und wurde am 16. Juli 1782 im Wiener Burgtheater uraufgeführt.
Dem Werk zugrunde liegt das Libretto Belmont und Constanze, oder Die Entführung aus dem Serail von Christoph Friedrich Bretzner mit Musik von Johann André. Zusammen mit Gottlieb Stephanie, einem österreichischen Schauspieler, Dramatiker und Opernlibrettisten, überarbeitete und erweiterte Mozart das Werk. Dies gilt jedoch nicht nur nach heutiger Auffassung als urheberrechtswidrig, da Bretzner stets gegen die „Annektierung“ durch Mozart protestierte und noch 1784 heftig gegen die „dreisten Veränderungen“, die ein „Ungenannter“ mit seinem Text in Wien angestellt habe, wetterte. Jedoch war das im Auftrag von Kaiser Joseph II. komponierte Werk von Anfang an ein großer Erfolg und etablierte den ein Jahr zuvor aus Salzburg zugezogenen Mozart in Wien. Weiterhin gilt die „Entführung“ als erste „echte“ deutsche Oper und wurde zum Vorbild für spätere deutsche Komponisten wie zum Beispiel Carl Maria von Weber.
Die Ouvertüre beginnt mit einem Presto im alla breve-Takt und es erklingt das viertaktige Hauptmotiv in auskomponierter Terrassendynamik, zunächst im Piano, dann im Forte.

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Mozart erweiterte hierbei das Orchester der Wiener Klassik um Instrumente wie Becken, Große Trommel („türkische Trommel“), Piccoloflöte und Triangel, um Anklänge an „türkische Musik“, wie man sie sich im 18. Jahrhundert wohl vorstellte, zu erreichen.

„Die Sinfonie, den Chor im ersten ackt, und den schluß Chor
werde ich mit türckischer Musick machen“
(Brief an den Vater vom 1. August 1781)

Es folgt ein ruhiges Andante im 3/8-Takt, in welchem sich Streicher und Holzbläser die Motive gegenseitig zuspielen, bis zurück im Tempo primo abermals das bekannte Hauptmotiv erklingt. Im weiteren Verlauf zeigt Mozart große Modulierfreudigkeit, bevor die Ouvertüre in einem großen Unisono endet.

Sascha Ludwig 

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[expand title=“Nasser Khorremi Jahromi – Rostam und Sohrab“]

jahromiMit den Auszügen aus der Ballett-Suite „Rostam und Sohrab“ hat die Akademische Orchestervereinigung in diesem Semester eine Uraufführung eines Göttinger Komponisten im Programm: Nasser Khorremi Jahromi (geboren 1958 in Jahrom im Iran). Nach einem Klavierstudium in Teheran zog Jahromi 1985 nach Deutschland und setzte dort seine Studien in den Fächern Klavier und Komposition an der Musikakademie Kassel fort. Seit 1991 unterrichtet er Klavier und Tonsatz in Göttingen und Alfeld (Leine).
Schon während seines Studiums komponierte Jahromi Werke, die unter anderem in Begleitprogrammen zur Documenta Kassel und im Rundfunk gespielt wurden. Im Februar 1999 führte das Göttinger Jugendsinfonie-Orchester Teile der Ballett-Suite „Siawaschs Geschichte“ auf. Diese Geschichte stammt aus dem „Schāhnāme“, dem 60.000 Verse umfassenden Monumentalwerk des persischen Dichters Abūl-Qāsim Ferdausī aus dem 10. Jahrhundert. Die mit „Das Buch der Könige“ übersetzte Dichtung gilt als persisches Nationalepos.
Mit der in den Jahren 1997–1999 entstandenen und in diesem
Konzert in Auszügen uraufgeführten Ballett-Suite widmete sich Jahromi einer weiteren Geschichte aus dem Buch der Könige: der Tragödie um den iranischen Helden Rostam und seinen Sohn Sohrab.

Auf einer Jagd wird Rostam eines Nachts sein Pferd gestohlen. Er begibt sich am nächsten Morgen in die nahegelegene Grenzstadt Samangan, um Hilfe bei der Suche zu erbitten. Man ist erfreut über den Besuch des großen Helden und gibt ihm zu Ehren ein Fest, auf dem er Tahmine, die Tochter des Königs von Samangan, ennenlernt. Er hält um ihre Hand an und sie werden vermählt. Am nächsten Tag wird Rachsch, das Pferd Rostams gefunden. Rostam verlässt Tahmine und schenkt ihr zum Abschied einen Armreif.
Tahmine bringt einen Sohn zur Welt, den sie Sohrab nennt. Als dieser erwachsen geworden ist, erfährt er von Tahmine, dass er der Sohn des Helden Rostam ist. Er beschließt, seinen Vater zu suchen, und begibt sich mit einem Heer in den Iran, um den Schah zu stürzen und Rostam an seiner statt auf den Thron zu setzen.
Der Schah erfährt von den einmarschierenden Truppen und ruft Rostam zur Unterstützung. Am „weißen Schloss“, der Grenzburg des Irans, treffen die Heere aufeinander und es kommt zu mehreren Schlachten.
Durch eine Reihe unglücklicher Zufälle erfahren weder Rostam noch Sohrab davon, dass Vater und Sohn auf unterschiedlichen Seiten gegeneinander kämpfen. So kommt es schließlich zum Zweikampf der beiden Heerführer, in dessen Folge zunächst Sohrab die Überhand gewinnt, dann aber von Rostam überlistet wird. Mit übermenschlicher Kraft, die ein Berggeist ihm verliehen hat, versetzt Rostam Sohrab einen tödlichen Stoß. Erst im Sterben wird Sohrab von seinem Vater an dem Armreif erkannt, den dieser einst Tahmine schenkte.
Sohrab verabschiedet sich ohne Groll von seinem Vater und bittet ihn, ob dieser schicksalhaften Ereignisse die Heere in Frieden ziehen zu lassen. Nach der Beisetzung zieht Rostam in die Wüste, um allein um seinen Sohn zu trauern.

Jahromi fängt die Dramatik und Tragik dieser Geschichte in einer dreizehnteiligen Ballett-Suite ein, aus der die AOV sieben Stücke spielt. Lyrische und farbenprächtige, an orientalische Melodik und Rhythmik angelehnte Passagen wie im IV. Teil, in dem Rostam und Tahmine heiraten, wechseln sich ab mit kraftvollen und dramatischen Interpretationen der Schlachten um das weiße Schloss (Teile VI und X). Im XII. Teil wird in düsteren Klangfarben ein leiser Verdacht ausgemalt, der Rostam beschleicht. Ungeachtet dessen findet jedoch am nächsten Tag der entscheidende, tragische Kampf zwischen Rostam und Sohrab statt (Teil XIII). Die Musik in diesem, dem längsten, Teil ist zunächst beseelt von aggressiver Rhythmik.
Als Sohrab der Todesstoß versetzt wird, scheint die Zeit stehen zu bleiben. Lang gehaltene, schmerzvolle Töne und Akkorde ziehen sich scheinbar in die Ewigkeit. Nicht enden wollende Motive erzählen von Rostams Trauer, bis die Suite schließlich mit einer Fanfare endet.

Moritz Disselkamp

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[expand title=“Nikolai Rimski-Korsakow – Scheherazade op. 35″]

„Sultan Schahriar war von der Falschheit und Unbeständigkeit der Frauen so überzeugt, dass er einen Eid schwur, jeder seiner Frauen nach der Brautnacht den Tod zu geben. Scheherazade jedoch rettete ihr Leben, indem sie sein Interesse an den Geschichten erregte, die sie ihm während tausendundeiner Nacht erzählte. Von Tag zu Tag verschob der Sultan, neugierig auf die Fortsetzung der Geschichten, ihre Hinrichtung und gab schließlich seine blutige Absicht auf.“

Diese kurze Inhaltsskizze findet man unter der Partitur der
Scheherazade, einer sinfonischen Dichtung des russischen Komponisten Nikolai Rimski-Korsakow (*1844, †1908). Aus diesem Grund verbreitete sich die Meinung, dass es sich bei diesem Werk um Programmmusik handle, dass also der Zuhörer während des Konzerts mit Hilfe der Geschichte ein Bild vor Augen haben sollte. Doch Rimski-Korsakows Absicht war eine ganz andere. Zwar gab er zu, dass die Musik an einzelne, nicht miteinander verbundene Episoden und Bilder aus dem Märchen „Tausendundeine Nacht“ angelehnt war, jedoch nicht an konkrete Geschichten. Daher gab er den vier Sätzen zunächst neutrale Satzbezeichnungen. Erst sein Freund und Komponistenkollege Anatol Ljadow riet ihm in einem Brief nach der Uraufführung 1888 in Petersburg, den einzelnen Sätzen konkrete Bezeichnungen zu geben. So erhielten die vier Sätze die Titel:

1. Das Meer und Sinbads Schiff.
2. Die Geschichte vom Prinzen Kalender.
3. Der junge Prinz und die junge Prinzessin.
4. Feier in Bagdad. Das Meer. Das Schiff zerschellt an einer Klippe unter einem bronzenen Reiter.

Gleichwohl blieb Rimski-Korsakow bei der Haltung, dass die Suite für ihn nur eine Reihe von aufeinanderfolgenden Sätzen mit gleichen musikalischen Themen sei. Die vorgegebenen Erzählungen erwiesen sich für ihn in der Folge als zu dominant, so dass er bei der Neuauflage der Partitur die Satztitel wieder in die neutralen Satzbezeichnungen umänderte. Dennoch werden die Sätze bis heute mit den jeweiligen Geschichten in Verbindung gebracht. Auffällig ist vor allem das Unisono-Motiv aus wuchtigen, bedrohlichen Akkorden, das schon direkt zu Beginn des Werks zu vernehmen ist und ohne Zweifel den tyrannischen Sultan Schahriar darstellt. Das Gegenmotiv sind die lyrisch-kapriziösen und von zarten Harfenakkorden gestützten Figurationen der Solovioline, die die um ihr Leben erzählende Scheherazade musikalisch abbilden.scheherezadeBeide Themen bilden den roten Faden des Werkes und werden von Rimski-Korsakow in jedem Satz aufgegriffen, wobei Zustimmung und Missbilligung des Sultans durch variable Behandlung seines Motivs gekennzeichnet sind. Rimski-Korsakow selbst stritt diese Verbindung der Geschichte mit seiner Musik allerdings stets ab:

„Leitmotive, die stets mit ein und denselben poetischen Ideen und Vorstellungen verbunden sind, wird man in meiner Suite vergeblich suchen. Die vermeintlichen Leitmotive sind nichts anderes als rein musikalisches Material oder Motive zur sinfonischen Verarbeitung.“

Das viersätzige Werk ermöglicht es durch die angedeutete Erzählung, ein Kaleidoskop an instrumentalen Farben und Klangnuancen entstehen zu lassen. Die wiederkehrenden Motive erscheinen immer wieder in einem neuen Licht, so dass verschiedene Stimmungen, Bilder und Charaktere zum Ausdruck kommen.

Im ersten Satz sind durch die schroffen Unterbrechungen des Sultan-Motivs die Ungeduld und sein Jähzorn deutlich zu hören. Das liebliche Scheherazade-Motiv lässt erahnen, wie sie den grausamen Sultan einwickeln muss, um ungeköpft die erste Nacht zu überleben.
Im zweiten Satz wird die Geschichte des Prinzen Kalender und dessen lustiger Eulenspiegeleien erzählt. Der in einer freien dreiteiligen Liedform gestaltete Satz basiert auf einem orientalisch getönten Hauptgedanken, der vom Solo-Fagott über den liegenden Quinten von vier gedämpften Solo-Kontrabässen eingeführt wird. Im dritten Satz erzählt Scheherazade mit lyrisch-sehnsuchtsvollem Ausdruck, der von grazilen Bewegungen der Holzbläser umspielt wird, von einem jungen Prinzen und seiner kleinen Prinzessin. Im vierten und letzten Satz muss Scheherazade noch einmal ihr Bestes geben, um den Sultan zu besänftigen. Mit einer üppigen Klangpracht wird das bunte Treiben des Festes in Bagdad beschrieben. Die darauf folgende Schilderung eines Schiffes, das auf stürmischer See an einem Felsen zu zerschellen droht, lässt den Sultan sich selbst erkennen – er selbst ist es, dem durch seine Boshaftigkeit die Vereinsamung und der Untergang drohen, wenn er nicht sein Leben ändert. In einer mächtigen Steigerung mit dem Sultan-Motiv in den Posaunen wird der Sinneswandel deutlich, bis Scheherazade und der Sultan in liebender Vereinigung zueinander finden.

Eva Schiwek
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