Juni 2005

[expand title=“Richard Wagner – Vorspiel zu Tristan und Isolde“]

Am 16. Mai 1849 erging in Dresden gegen Richard Wagner ein Haftbefehl wegen seiner aktiven Beteiligung an der Dresdner Revolution, woraufhin sich Wagner zur Flucht genötigt sah und schließlich mit Hilfe von Franz Liszt in die Schweiz gelangte. Insbesondere Zürich sollte abgesehen von einigen Reiseunterbrechungen in den folgenden elf Jahren der Ort seines Exils sein. In den Schweizer Jahren vollzog sich ein für Wagner wichtiger Wandel: Hier entwickelte er in seiner Schrift „Oper und Drama“ die Konzeption zum „musikalischen Drama“, das seine früheren „romantischen Opern“, wie „Tannhäuser“, „Lohengrin“ oder den „Fliegenden Holländer“, ablösen sollte. Große Teile der „Ring“- Tetralogie entstanden während dieser Zeit, allerdings wurde im August 1857 die Arbeit daran durch die Hinwendung zum Tristan-Stoff für Jahre unterbrochen.

Die Oper „Tristan und Isolde“ markiert kompositionstechnisch in ge- wissem Sinne den Ursprung der musikalischen Moderne (Tristan- Akkord). Nachdem Wagner in Wien und Karlsruhe vergeblich versucht hatte, den „Tristan“ auf die Bühne zu bringen und sich bereits mit dem Mythos der Unaufführbarkeit abgefunden hatte, der den „Tristan“ umwehte, fand er in Ludwig und Malvina Schnorr von Carolsfeld zwei überragende Sänger, die die Schwierigkeiten der Partien bewältigen konnten. Mit ihnen fand am 20. Juni 1865 im Königlichen Hof- und Nationaltheater in München die Uraufführung statt. Doch nach drei Aufführungen holte ihn das Verhängnis ein: Sein Tristan-Sänger starb an einem plötzlichen Fieber. Dass es von der Überanstrengung der Partie hergerührt haben könnte, ist allerdings schon wieder eine Legende.

Die Handlung der Oper stützt sich auf den keltischen Sagenkreis. Sie erzählt die tragische Geschichte der durch einen Liebestrank hervorgerufenen, unglücklichen Liebe zwischen dem Kriegshelden Tristan und Isolde, die eigentlich die Braut von Tristans König Marke werden sollte.

Die Oper „Tristan und Isolde“ hat mächtig auf die europäische Kultur gewirkt. Für die Musiker war jene im berühmten Tristan-Akkord vor- geführte Auflösung aller Tonalität ein Wegweiser zu völlig neuen Ufern. Man fand die Schopenhauersche Philosophie der Verneinung des Willens ebenso umgesetzt wie die romantische Todessehnsucht eines Novalis. Unüberschaubar ist das geistesgeschichtliche Gewebe hinter diesem Werk. Während Wagners Gegner die narkotisierende Wirkung seiner Musik geißelten, erlagen ihr Thomas Mann ebenso wie Adolf Hitler, den es, wenn ihn die militärischen Niederlagen bedrückten, stets nach Isoldes Liebestod verlangte.

Für Richard Wagner wurde das in Zürich lebende Ehepaar Otto und Mathilde Wesendonk in der Zeit des Schweizer Exils zu den wichtigsten Bezugspersonen. Wagner, der seine damalige Frau Minna stets als eher einfältig und geistig nicht ebenbürtig darstellte, fand in Mathilde Wesen- donk mehr als nur eine Partnerin für den geistigen Austausch und kritische Begutachterin seiner Arbeit am „Tristan“. Während der wohlhabende Otto Wesendonk nicht zuletzt durch Mathildes Vermittlung zum großzügigen finanziellen Unterstützer des chronisch verschuldeten Wagners wurde, entwickelte dieser zu Mathilde rasch eine Beziehung, die über die bloße Rolle der Muse weit hinausging. Auch wenn durch ein heroisierendes Wagner-Bild versucht wurde, diese Beziehung als rein platonisch darzustellen und sie, ganz im Sinne der Wagnerschen Gedankenwelt, im ideellen Reich der Vorstellung anzusiedeln, dürfte sie auch im Alltag sehr tiefgehend gewesen sein. Nicht ganz zufällig las er zu dieser Zeit besonders sorgfältig Goethes „Wahlverwandschaften“. Wenngleich sich eine konkrete körperlich-sexuelle Beziehung nicht nachweisen lässt, so war der Kontakt jedoch auch äußerlich sichtbar derart intim, dass er für die bürgerliche Umwelt und vor allem für die jeweiligen Ehepartner als Zumutung empfunden worden sein muss. Während Otto Wesendonk offenbar die Beziehung still erduldete und sogar Wagner weiterhin förderte, wollte sich Minna Wagner nicht mit dem Zustand abfinden und setzte sich im August 1858 zumindest mit der Auflösung des Züricher Haushaltes in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Wesendonks durch, womit sie freilich die Qualität der Beziehung zwischen Richard Wagner und Mathilde Wesendonk unterschätzte.

So schreibt Richard Wagner am 19. Dezember 1859 in einem Brief an Mathilde Wesendonk über das Vorspiel zu „Tristan und Isolde“: „Der Musiker, der dieses Thema sich für die Einleitung seines Liebesdramas wählte, konnte, da er sich hier ganz im eigensten, unbeschränktesten Elemente der Musik fühlte, nur dafür besorgt sein, wie er sich beschränkte, da Erschöpfung des Themas unmöglich ist. So ließ er denn nur einmal, aber im lang gegliederten Zuge, das unersättliche Verlangen anschwellen, von dem schüchternsten Bekenntnis, der zartesten Hingezogenheit an, durch banges Seufzen, Hoffen und Zagen, Klagen und Wünschen, Wonnen und Qualen, bis zum mächtigsten Andrang, zur gewaltsamsten Mühe, den Durchbruch zu finden, der dem grenzenlos begehrlichen Herzen den Weg in das Meer unendlicher Liebeswonne eröffne. Umsonst! Ohnmächtig sinkt das Herz zurück, um in Sehnsucht zu verschmachten, in Sehnsucht ohne Erreichen, da jedes Erreichen nur wieder neues Sehnen ist, bis im letzten Ermatten dem brechenden Blicke die Ahnung des Erreichens höchster Wonne aufdämmert: es ist die Wonne des Sterbens, des Nichtmehrseins, der letzten Erlösung in jenes wundervolle Reich, von dem wir am fernsten abirren, wenn wir mit stürmischster Gewalt darin einzudringen uns mühen. Nennen wir es Tod? Oder ist es die nächtige Wunderwelt, aus der, wie die Sage uns meldet, ein Efeu und eine Rebe in inniger Umschlingung einst auf Tristans und Isoldes Grabe emporwuchsen?“

Anna Lena Stahr, Lorenz Nordmeyer, Juni 2005

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[expand title=“Richard Wagner – Wesendonk-Lieder“]

Die Wesendonk-Lieder (Fünf Gedichte für eine Frauenstimme) gehören zu den wenigen Kompositionen Wagners, die nicht eigene Texte zur Vorlage haben. Sie sind persönlicher Ausdruck der Beziehung Richard Wagners und Mathilde Wesendonks und spiegeln die gemeinsame Vor- stellungswelt, wie sie im Tristan zum Tragen, kommt wider. Musikalische Motive aus Träume findet man im Gebetshymnus des II. Akt des Tristan bei „O sink hernieder …“ wieder, während Im Treibhaus fast identisch als Vorspiel zum III. Akt übernommen wurde. Beide Lieder sind explizit mit dem Hinweis „Studien zu Tristan und Isolde“ untertitelt, wenngleich dies indirekt auch für die anderen drei Stücke gelten dürfte. Original sind die „Fünf Gedichte für eine Frauenstimme“ für Gesang mit Klavierbe- gleitung geschrieben worden, doch Träume wurde schon kurz nach der Fertigstellung von Wagner selbst orchestriert, später mehrfach überarbeitet und mit einem Soloviolin-Part zur Feier von Mathildes Geburtstag am 18. Dezember 1857 mit kleinem Orchester im Hause Wesendonk uraufgeführt. Die anderen vier Lieder wurden später von dem bekannten Wagner-Dirigenten Felix Mottl instrumentiert. Auffällig dabei ist, dass die Instrumentation Wagners, ganz im Gegensatz zu einem weit verbreiteten Vorurteil, recht schlicht ausfällt. Mottls Instrumentation gibt sich da schon viel aufwendiger.

Im Zyklus stehen die fünf Lieder nicht in der Reihenfolge ihrer Ent- stehung, sondern bilden in loser Verbindung einen Bogen von Der Engel (so wurde Mathilde oft von Wagner bezeichnet) bis Träume, in der eine eigentümlich metaphysische, „andere“ Welt Erlösung (ein zentraler Begriff bei Wagner) verspricht, gegenüber den Schmerzen und der Unrast (in Stehe still!) der hiesigen Welt. Der Zustand der Entfremdung, wie er in der schwülen Atmosphäre von Im Treibhaus zum Ausdruck kommt, wird dialektisch ebenso als Schmerz erlitten, wie auch als süße Wonne lustvoll verklärt.

Lorenz Nordmeyer, Juni 2005

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[expand title=“Anton Bruckner – Sinfonie Nr. 1, c-moll“]

Anton Bruckner wurde als Sohn eines Dorfschullehrers am 04.09.1824 in Ansfelden bei Linz in österreich geboren. Bereits als Vierjähriger erhielt er Geigen-, später auch Klavier- und Orgelunterricht. Nach einer Lehrer- ausbildung war er als Schulgehilfe in mehreren Dörfern tätig. Nicht zuletzt aufgrund seiner enormen Disziplin, die ihn dazu drängte, stetig Prüfungen im Bereich der Lehrerausbildung, des Orgelspiels und der Komposition zu absolvieren, erhielt Bruckner 1856 die Stelle des Domorganisten in Linz, die er bis 1868 innehatte, als er zum Profeßor für Generalbaß und Kontrapunkt in Wien berufen wurde. Infolge eines langjährigen Herzleidens starb er am 11.10.1896 in Wien.

Bruckner schuf neben mehreren Chorwerken, einem Streichquintett und einigen Studienstücken neun Sinfonien, von denen die letzte unvollendet blieb. Zuweilen wurde ihm die musikalische Eigenständigkeit aufgrund seiner Nähe zu Wagner abgesprochen. Die enorme Länge von Bruckners Sinfonien veranlaßte den zeitgenößischen Kritiker Hanslick, z. B. die 7. Sinfonie als „Riesenschlange“ zu bezeichnen. Da Bruckner empfindsam und sehr unsicher war, ließ er sich von der Kritik be- einflußen, überarbeitete seine Werke auch nach deren Abschluß, so daß es oft von ein und demselben Werk mehrere Faßungen gibt, so auch von der 1. Sinfonie, die heute in der früheren, der Linzer Faßung erklingt. Bruckner gestaltete seine Sinfonien nach dem „Baukastenprinzip“. Er bildete stets aus einer geraden Taktzahl zusammengesetzte Einheiten und verschob diese horizontal und vertikal. Kennzeichnend für seine Werke ist die orgelartige Instrumentation: Abrupt wie durch das Ziehen eines Orgelregisters wechseln sich die Themen mit erheblichen dynamischen Steigerungen und Zäsuren ab.

Das „kecke Beserl“, nach österreichischer Mundart ein „frecher Junge“, so betitelte Bruckner selbst seine 1. Sinfonie. Inspiriert durch Auf- führungen von Wagners „Tannhäuser“ und „Tristan und Isolde“, schrieb er sie in den Jahren 1865/66 als seine erste nach eigenen Vorstellungen geschaffene Komposition. Insbesondere während dieser Arbeit fühlte er sich mißverstanden, vereinsamt und litt an Kontroll- und Zählzwängen sowie Depreßionen. So schrieb er 1865 an einen Freund: „Es verdrießt mich die ganze Welt – es bleibt mir nur die Kunst und. einige werthe Freunde. … Ich, Welt- und Menschenfeind aufs Neue, suche da (in der Arbeit an der 1. Sinfonie) einige Linderung über die hübsche Behandlung in Linz.“

Der erste, in der Sonatenform stehende Satz – Allegro – beginnt im Pianißimo. Die Streicher stimmen einen fatalistisch bewegten Marsch an. Nach einer fulminanten Steigerung folgt das zweite lyrische Gesangs- thema aus zwei einander umrankenden Linien, das zunächst von den Geigen, dann von den Hörnern und Celli vorgestellt wird. Turbulente Läufe münden in den ersten Höhepunkt: das dritte, von mächtigen Posaunenklängen und furiosen Geigenläufen beherrschte Thema – eine Reminiszenz an den Pilgerchor aus Wagners „Tannhäuser“. Die Wogen glätten sich, sphärische Flöten-, Hörner- und Klarinettenklänge werden von weiteren Steigerungen abgelöst. Nach der Reprise glänzt im Flöten- und Cellosolo ein Lichtstrahl, bevor mit unverminderter Gewalt das Ende des Satzes über den Zuhörer hereinbricht. Dunkle, trübselige Akkorde der Hörner und tiefen Streicher leiten den zweiten Satz – Adagio – ein. Die absteigenden Linien scheinen zu fragen: Wohin soll das nur führen? Die tröstende Antwort gibt ein zartes Flötenterzett. Bratschen, Klarinetten und Hörner gesellen sich dazu. Geigen und schließlich das gesamte Orchester stimmen ein in das erste Thema entspannten Wohlgefühls. Hieraus entwickelt sich eine leise, sich hin und her wiegende, strophenartig wiederholte Geigenmelodie, die zu schwin- delnden Höhen drängt, bis sie in einer nicht enden wollenden Spirale von dem Anfangsthema eingeholt wird. Hieraus erwächst ein von den Celli gespielter, in höhere Dimensionen emporsteigender Choral, an den sich das Orchester mit großer Feierlichkeit mit dem ersten Thema anschließt. Der Satz endet mit einem beruhigenden Abgesang. Wie ein Blitz fährt der dritte Satz – Scherzo – mit Pauken- und Blechbläserakkorden sowie ab- steigenden Streicherunisonolinien dazwischen. Dem gegenüber steht ein verhaltenes, tänzerisches Streichermotiv, das immer wieder vom Blitzthema unterbrochen wird. Im Trio werden in einer ländlichen Idylle Hörner- und Holzbläserklänge von den Geigen umspielt. Höhepunkt und Ziel der gesamten Sinfonie ist der vierten Satz – Finale -, den Bruckner selbst mit „bewegt und feurig“ überschrieb. Am Anfang steht ein markantes punktiertes Thema des gesamten Orchesters, das durch ein zweites, nach vorne drängendes, fröhliches, mit begleitenden Nachschlägen aufgelockertes Thema kontrastiert wird. Wie im ersten Satz schließt sich ein von wilden Läufen untermaltes drittes imposantes Posaunenthema an, das brucknertypisch so stark gesteigert wird, daß es schließlich auf einen permanent wiederholten rhythmischen Kern reduziert wird. Nach ruhigen Holzbläserklängen und mehrfachen Steigerungen kristallisiert sich schließlich ein Choral heraus, der zunächst zart von den Holzbläsern eingeleitet wird und schließlich immer mächtiger von den Blechbläsern auf das Ende der Sinfonie hinführt.

Gesine Bockwoldt, Juni 2005

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[expand title=“Solistin: Karen Leiber„]

Karen Leiber erhielt ihre Gesangsausbildung an den Musikhochschulen in Köln und Weimar bei Prof. Eugen Rabine. Sie begann ihre Laufbahn als Mezzosopran 1997 am Theaterhaus Jena. Es folgte die Rolle der Regan (Vision of Lear / Hosokawa) in Tokyo. Unter der Regie von Götz Friedrich sang Karen Leiber 1999 die Titelpartie in der Uraufführung von Matthus „Kronprinz Friedrich“. In den Jahren 2000 bis 2003 gastierte sie u.a. am Deutschen Nationaltheater Weimar, an der Oper Chemnitz und am Theater Bielefeld, wo sie u.a. als Hänsel, Cherubino und als Clara (Die Verlobung im Kloster / Prokofiev) zu hören war.

An der Opera National du Rhin (Strasbourg) wechselte Karen Leiber zum jugendlich-dramatischen Sopran. Dort snag sie u.a. die Partien der Contessa (Le Nozze di Figaro) und des Testo (Il Combattimento / Moteverdi). In dieser Spielzeit ist sie als Mutter (Hänsel und Gretel) am Theater Erfurt zu hören, als Sängerin (Der Reigen) an der Opera des Lausanne und als 1. Dame (Zauberflöte) an der Opera National du Rhin. Sie arbeitet mit Dirigenten wie Rolf Reuter und Günter Neuhold und mit Regisseurren Achim Freyer und Klaus Michael Grüber.

Karen Leiber widmet sich internsiv der Interpretation zeitgenössischer Musik. Sie pflegt eine Rege Zusammenarbeit mit Komponisten wie George Crumb und Younghi Pagh-Paan. Gemeinsam mit Adriana Hölszki entstand deren Komposition „Monolog für eine Frauenstimme“

(Karen Leiber, Juni 2005)

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