Januar 2001

[expand title=“Ludwig van Beethoven – Sinfonie Nr. 2 D-Dur op. 36″]

Ludwig van Beethoven vollendete 1802 seine zweite Sinfonie. Im selben Jahr äußerte er sich im sogenannten „Heiligenstädter Testament“ zu seiner fortschreitenden Ertaubung. Die erste öffentliche Aufführung des Werkes fand gemeinsam mit der ersten Sinfonie, dem dritten Klavierkonzert und dem Oratorium „Christus am Ölberg“ am 5. April 1803 in Wien statt. Die Orchesterbesetzung des Werkes und die Anzahl und Abfolge der Sätze stehen in der Tradition der späten Londoner Sinfonien Joseph Haydns. Der Eingangssatz bedient sich der Sonatensatzform. Allerdings ist dem eigentlichen Hauptthema – wie später auch in der vierten und siebten Sinfonie – eine langsame Einleitung vorangestellt. Diese Einleitung, die mit dem Kontrast zwischen einem Fortissimo-Akkord und einer ruhigen Kantilene beginnt, entfernt sich schon bald von der Grundtonart D-Dur. Im weiteren Verlauf ist besonders ein plötzlicher, in scharf punktiertem Rhythmus abwärts geführter d-Moll-Dreiklang auffällig, der vom gesamten Orchester unisono gespielt wird. Dieses Unisono ist typisch für Beethovens bisweilen aggressiven Orchesterklang. Als Pendant erscheint kurz vor Ende ein erneutes großes Orchesterunisono auf einem durch Sechzehntelbewegung ausgeschmückten D-Dur-Dreiklang. Insgesamt ist der erste Satz durch eine sich ständig weiter entwickelnde Thematik und eine spannungsgeladene Atmosphäre geprägt.

Der langsame zweite Satz steht in der Dominante A-Dur. Das ruhige, melodiöse Anfangsthema der Streicher verleiht dem Satz zunächst einen geradezu idyllischen Charakter. Es kehrt im Mittelteil in einer überraschenden Mollvariante wieder. Auch die Coda zitiert das Anfangsthema, das aber, ohne zur Entfaltung gekommen zu sein, wieder verebbt. Der Satz verklingt im Piano.

Das Scherzo hat einen störrischen Charakter. Die zunächst regelmäßige, taktweise Abfolge von Forte und Piano wird von Beethoven plötzlich umgekehrt. Im Trio werden die Holzbläser nach ruhigem Anfang jäh von einem Forte-Unisono der Streicher unterbrochen, das mit einer ungewöhnlichen harmonischen Wendung nach fis-Moll einhergeht. Die starke Gewichtung der Dynamik ist ein typisches Kennzeichen der Sinfonien Beethovens.

Der letzte Satz weist eine erweiterte Sonatensatzform auf, die durch die Wiederholung des Hauptthemas zu Beginn von Durchführung und Coda rondoartige Züge erhält. Er wird durch ein für Beethoven charakteristisches, trotziges Motiv eröffnet. Im weiteren Verlauf ist der Satz ausgelassen, temporeich und bewegt.

Welchen Eindruck die Sinfonie auf die Zeitgenossen machte, können wir in der Allgemeinen musikalischen Zeitung vom 9. Mai 1804 nachlesen:

„Sie ist ein merkwürdiges, kolossales Werk, von einer Tiefe, Kraft, und Kunstgelehrsamkeit, wie sehr wenige -; von einer Schwierigkeit in Absicht auf Ausführung … wie ganz gewiss keine von allen jemals bekannt gemachten Sinfonieen. Sie will, selbst von dem geschicktesten Orchester wieder und immer wieder gespielt seyn, bis sich die bewundernswürdige Summe origineller und zuweilen höchstseltsam gruppirter Ideen enge genug verbindet, abrundet und nun als große Einheit hervorgehet …; sie will aber auch wieder und immer wieder gehört seyn, ehe der Zuhörer, selbst der gebildete, im Stande ist, das Einzelne im Ganzen und das Ganze im Einzelnen überall zu verfolgen und mit nöthiger Ruhe in der Begeisterung zu geniessen – zu geschweigen, dass sich auch jeder an so ganz Eigenthümliches, als hier fast alles ist, doch erst ein wenig gewöhnen muss.“

Robert Waltemath, Januar 2001

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[expand title=“Felix Mendelssohn Bartholdy – Die erste Walpurgisnacht“]

Schon im 19. Jahrhundert sind zahlreiche Texte Johann Wolfgang von Goethes vertont worden. Man denkt dabei in erster Linie an das romantische Lied z. B. Franz Schuberts. Aber auch einige großangelegte Chorwerke mit Orchester sind in diesem Zusammenhang zu nennen, wie die Alt-Rhapsodie und der „Rinaldo“ von Johannes Brahms, das „Requiem für Mignon“ und die „Szenen aus Goethes Faust“ von Robert Schumann sowie „Die erste Walpurgisnacht“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy.

Goethe hatte bereits 1799 in einem Brief an Carl Friedrich Zelter, den Gründer der Berliner Singakademie und späteren Lehrer Mendelssohns, eine Vertonung dieser Ballade angeregt. Mendelssohn, der Goethe schon als 12jähriger kennen gelernt hatte und ihm seitdem freundschaftlich verbunden war, berichtete dem Dichter im Frühjahr 1831 von seiner Absicht, „Die erste Walpurgisnacht“ zu komponieren. Ein knappes Jahr später schrieb er an seine Schwester Fanny: „Höre und staune! ‚Die erste Walpurgisnacht‘ habe ich seit Wien halb componirt … Nun hat sich das Ding gestaltet, ist aber eine große Kantate mit ganzem Orchester geworden und kann sich ganz lustig machen.“

Die Uraufführung fand unter der Leitung des Komponisten am 10. Januar 1833 in Berlin statt. Mendelssohn überarbeitete das Werk in den Jahren 1842/3 noch einmal grundlegend und führte es in der neuen Fassung am 2. Februar 1843 im Leipziger Gewandhaus auf. Unter den Zuhörern war Hector Berlioz, der sich euphorisch über „Die erste Walpurgisnacht“ äußerte: „Man weiß nicht, was man am meisten darin bewundern muß … Ein wahres Meisterstück!“

Goethe erläutert in einem Brief an Zelter den Inhalt der Ballade: „… die Deutschen Heiden-Priester und Altväter, nachdem man sie aus ihren heiligen Haynen vertrieben und das Christenthum dem Volke aufgedrungen, (begeben) sich mit ihren treuen Anhängern auf die wüsten unzugänglichen Gebirge des Harzes …, um dort, nach alter Weise, Gebet und Flamme zu dem gestaltlosen Gott des Himmels und der Erde zu richten. Um nun gegen die aufspürenden bewaffneten Bekehrer sicher zu seyn, hätten sie für gut befunden, eine Anzahl der Ihrigen zu vermummen, und hiedurch ihre abergläubischen Widersacher entfernt zu halten, und, beschützt von Teufelsfratzen, den reinsten Gottesdienst zu vollenden.“

„Die erste Walpurgisnacht“ lässt sich nicht ohne weiteres einer bestimmten musikalischen Gattung zuordnen. Oft wird sie als weltliches Oratorium bezeichnet, Mendelssohn selber schwankte zwischen den Bezeichnungen Kantate, Sinfonie-Kantate und Ballade, wobei er sich schließlich für letztere entschied.

Mendelssohn stellt der eigentlichen Handlung eine großangelegte zweiteilige Ouvertüre voran. Der erste Teil, „Das schlechte Wetter“ überschrieben, ist durch rhythmisch prägnante, schnelle Motivik geprägt und steht im scharfen Kontrast zum zweiten Teil mit der Überschrift: „Der Übergang zum Frühling“, in dem zarte Holzbläserfiguren den nachfolgenden Frühlingsgesang von Tenor und Frauenchor vorbereiten.

Im Mittelpunkt der Ballade steht der große Chor der Wächter der Druiden. Mendelssohn entfacht hier einen gewaltigen Höllenspuk, für den er nach eigenen Aussagen „ein besonderes Faible“ hatte: Die Szene wird nur von Schlagzeug und Bässen eröffnet. Der Aufforderung eines einzelnen Druiden schließt sich ein bedrohlicher Männerchor an, in den nach und nach nervöse Bläserfiguren eingestreut werden. Nach einer wilden Orchesterüberleitung, in der ständig 2/4- und 6/8-Takt gegeneinander gestellt werden, kommen zunächst Männer- und Frauenchor einzeln nacheinander, bevor der gesamte Chor und das komplette Orchester mit großer Trommel und schrillen Piccolo-Flöten ein wahres Inferno inszenieren. Mendelssohn macht reichlich Gebrauch von spannungsgeladenen Rhythmen, Dissonanzen und verminderten Septakkorden. Sicherlich war es gerade dieser Chor, der Berlioz besonders beeindruckt hat.

Nachdem die verängstigten christlichen Wächter geflohen sind, vollenden die Priester und Druiden ihren Gottesdienst. Das Werk endet mit einem groß angelegten Lobgesang in C-Dur.

Robert Waltemath, Januar 2001

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[expand title=“Gastdirigent: Bernd Eberhardt„]

Organist und Kantor an der St. Johanniskirche in Göttingen

Bernd Eberhardt, Jahrgang 1966, erhielt seine künstlerische Ausbildung an der Hochschule der Künste in Berlin (Kirchenmusik A-Examen; Dirigieren bei Uwe Gronostay und Hans Hilsdorf; Orgel bei Rudolf Heinemann und Klavier bei Rainer Becker) und am Sweelinck Conservatorium Amsterdam (Orgelstudium bei Ewald Kooimann). Außerdem war er Teilnehmer zahlreicher Kurse sowohl als Organist als auch als Dirigent. Nach Stationen als Kirchenmusiker in Ludwigsburg und Stuttgart-Möhringen wurde er 1995 Kantor und Organist der Markuskirche in Stuttgart verbunden mit einem Lehrauftrag zur Ausbildung nebenberuflicher Kirchenmusiker. Seit Sommer 1999 ist er Organist der St. Johanniskirche in Göttingen und somit künstlerischer Leiter der Göttinger Stadtkantorei. Neben seiner Tätigkeit als Dirigent und konzertierender Organist tritt er auch gelegentlich als Kammermusikpartner am Klavier auf.

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