Januar 2005

[expand title=“Robert Schumann – Ouvertüre zu Genoveva„]

Schon seit langem hatte Robert Schumann mit dem Gedanken gespielt, eine Oper zu komponieren und als Libretto den „Faust“, „Till Eulenspiegel“, die „Nibelungen“, „Hamlet“ und andere literarische Werke in Betracht gezogen, diese Pläne aber sämtlich wieder verworfen. Nach der Lektüre von Friedrich Hebbels Tragödie „Genoveva“ von 1840/41 und des Versdramas „Leben und Tod der heiligen Genoveva“ nach dem deutschen Volksbuch von Ludwig Tieck (1800) fasste er 1846 – also in seinem 36. Lebensjahr – den Entschluss, eine Oper „Genoveva“ zu komponieren. Er träumte davon, mit diesem Werk zum Schöpfer der deutschen romantischen Oper zu werden, zumal er den Werken des ebenfalls in Dresden wohnenden Hofkapellmeisters Richard Wagner mit starker Kritik und allen Vorbehalten begegnete.

Nach der Legende war im 8. Jahrhundert Genoveva, die schöne Pfalzgräfin, verehelicht mit dem Pfalzgrafen Siegfried, der, von Karl Martell gerufen, in den Kampf gegen die Mauren gezogen war. Siegfried gab seinem Haushofmeister Golo den Auftrag und alle Vollmacht, seine zurückgelassene Gemahlin zu beschützen und seine Besitztümer zu verwalten. Golo verliebte sich sogleich in die ihm anvertraute Gräfin, die sich gegen alle Zudringlichkeiten Golos wehrte, der sich dann aber wegen seiner Erfolglosigkeiten grausam rächte. Golo verdächtigte Genoveva, ehebrecherische Beziehungen zu dem Hofkaplan zu unterhalten und verurteilte sie im Namen des abwesenden Grafen wegen ihres angeblichen Verbrechens zum Tode. Bevor die Hinrichtung im Walde vollzogen wurde, kehrte Graf Siegfried aus dem Feldzug zurück und vereitelte die bevorstehende Vollstreckung. Das Ehepaar wird durch Hidulfus, den Bischof von Trier, beglückwünscht und gesegnet.

Schumann war von dieser mittelalterlich-romantischen Schauerlegende offenbar wie besessen. Nach Clara Schumanns Tagebuch war „Genoveva“ Roberts Morgen- und Abendgebet. Unmittelbar nach Rückkehr von einer gemeinsamen Konzertreise mit Clara nach Wien, Brünn, Prag und Berlin ging Schumann ans Werk. Noch bevor das Libretto entworfen war, skizzierte Schumann Anfang April 1847 binnen fünf Tagen die Ouvertüre. Mit der Textfassung der vieraktigen Oper, die sein Freund, der Maler und Dichter Robert Reinick, herstellte, war Schumann nicht einverstanden, so dass er selbst das endgültige Opernlibretto verfasste. Erst im Dezember 1847 konnte er mit der Komposition der Oper und der Instrumentierung der Ouvertüre beginnen. Die Gesamtpartitur wurde am 5.August 1848 abgeschlossen. Die Uraufführung fand am 25.Juni 1850 unter Schumanns Leitung im Leipziger Gewandhaus statt. Seine einzige Oper errang nur einen Achtungserfolg. Kritisiert wurden vor allem die Schwächen der undramatischen, allzu lyrischen Handlung, die mangelhafte Motivierung des Geschehens und eine gewisse Monotonie „allerdings bedeutender Musik“ (Franz Brendel). „Die Ouvertüre ist jedoch“, nach dem Biographen Ernst Müller, „ein wundervoll hinreißendes Stück“.

Die Ouvertüre lässt sich als eine in strenger Sonatenform komponierte symphonische Dichtung charakterisieren. Sie ist keine in der Opernliteratur häufig zu findende „Potpourri“-Ouvertüre: ihre Themen und Motive sucht man in den vier Akten der Oper vergeblich. Schumann verfolgt in der Ouvertüre offensichtlich die symphonische Darstellung der literarischen Idee der Oper: den Widerstand Genovevas gegen die Machenschaften und Unrechtmäßigkeiten ihres treulosen „Beschützers“, Genovevas Kampf gegen das Böse. Daneben werden durch die musikalische Themenverarbeitung die verschiedenen Charaktere der Personen beleuchtet. Die Ouvertüre beginnt mit einer langsamen Einleitung („Adagio“) in der Haupttonart c-moll. Der anschließende Hauptteil („Leidenschaftlich bewegt“) wird von einem drängenden, ja nervös-kurzatmigen Hauptthema getragen, das von Triolenmotiven bestimmt wird, die von Oboen-, Klarinetten- und Fagottkantilenen umspielt werden. Das Seitenthema wird durch ein wiedererholt zu hörendes, vom Hornquartett mit Unterstützung der Holzbläser ausgeführtes Aufbruchssignal gebildet. Bald nach der Reprise wechselt die Tonart von c-moll nach C-Dur, bis die Ouvertüre in der Coda durch eine Stretta „Per aspera ad astra!“ zum Finale geführt wird.

Die Oper „Genoveva“ – im 19. Jahrhundert an fast allen deutschen Opernhäusern aufgeführt – ist inzwischen von der Opernbühne verschwunden und wird nur noch konzertant aufgeführt (zuletzt Mitte der neunziger Jahre im Gewandhaus Leipzig; im September 2004 durch die Robert-Schumann-Philharmonie in Chemnitz). Die Ouvertüre ist gelegentlich in Sinfoniekonzerten zu hören (vom Göttinger Symphonieorchester wurde sie seit über 25 Jahren nicht zu Gehör gebracht).

Dr. Werner Bischof, Januar 2005

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[expand title=“Edward Elgar – Konzert für Cello und Orchester, e-moll, op. 85″]

Sir Edward William Elgar wurde am 2. Juni 1857 in Broadheath bei Worcester als Sohn eines Musikalienhändlers und Organisten geboren. Er wuchs in einfachen Verhältnissen auf, so dass er sich weitgehend autodidaktisch u. a. auf dem Klavier, der Violine und dem Fagott ausbildete. Als Nachfolger seines Vaters im Organistenamt der katholischen Kirche lebte er von 1885 bis 1889 in Worcester. 1889 heiratete er seine Geigenschülerin Caroline Alice Roberts und lebte mit ihr zurückgezogen auf seinem Landsitz in Sussex. Ihr Tod 1920 traumatisierte Edward Elgar so stark, dass er eine Depression erlitt und bis zu seinem Tod am 23. Februar 1934 (er starb an Krebs) kaum mehr komponierte.

Edward Elgar ist einer der bedeutendsten englischen Komponisten der Romantik. Berühmt wurde er 1899 mit der Uraufführung des Orchesterwerks „Enigma-Variationen“. Es folgten weitere in England mit Begeisterung aufgenommene Werke wie das Oratorium „The Dream of Gerontius“, „Pomp and Circumstance-Orchestermärsche“, zwei Sinfonien und das Violinkonzert h-moll, um nur einige zu nennen.

Das heute erklingende Cellokonzert in e-moll schrieb Elgar auf dem Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens in den Jahren 1918/1919 auf seinem Landsitz. Es sollte seine letzte große Komposition sein. Er selbst schrieb darüber: „Ich bin schrecklich geschäftig und habe ein Konzert für Violoncello nahezu vollendet – ein wirklich großes Werk und, ich glaube, gut und lebendig.“ Die Uraufführung am 26. Oktober 1919 in der Londoner Queen’s Hall unter der Leitung des Komponisten mit dem Solisten Felix Salmond war leider aufgrund nicht ausreichender Proben ein Fehlschlag. Später wurde das Konzert aber von namhaften Cellisten wie z. B. Pablo Casals und in den 1960er Jahren Jacqueline du Pré rund um die Welt berühmt gemacht. Das Werk hat eine melancholische Grundstimmung, die teils als Reflexion der Jahre des Ersten Weltkrieges, teils als Verarbeitung einer kurz zuvor erfolgten schmerzhaften Mandeloperation des Komponisten, teils aber auch als Vorahnung seiner künftigen Depression interpretiert wird. Es besteht – für ein Solokonzert ungewöhnlich – aus vier Sätzen, wobei jeweils zwei Sätze nahtlos ineinander übergehen. Gewaltige Akkorde des Solocellos leiten im ersten Satz „Adagio – Moderato“ ein Rezitativ ein, aus dem sich das traurige Haupthema in zunächst absteigender, dann aber dramatisch aufsteigender Linie entwickelt. Eine langsam schwingende Melodie, die abwechselnd von Holzbläsern, Solocello und Streichern variiert wird, folgt als Seitenthema. Zum Abschluss verklingt leise das Hauptthema, das in einem kurzen lauten Ausbruch zum zweiten recht kurzen Satz überleitet. Die Musik scheint stillzustehen, bevor das Solocello in dem Scherzo-artigen „Allegro molto“ mit schnellen flirrenden Sechzehntelfiguren leicht in schwindelnde Höhen davon eilt, während das Orchester sparsam, teilweise nur mit gepizzten Akkorden begleitet. Im dritten Satz, dem „Adagio“, erklingt eine schmelzende, leidenschaftliche Klage des Solocellos, die ganz vorsichtig von leisen Streicherklängen untermalt wird. Sie verstirbt, als plötzlich im letzten Satz „Allegro, ma non troppo“ das Orchester mit einem kurzen, stark akzentuierten falstaffschen Thema einfällt. Dieses wird nun in einem Rondo facettenreich, bald gefühlvoll, bald tänzerisch, bald gewaltig variiert, bevor noch einmal die Melodie aus dem „Adagio“, gleich einem wunderschönen Sonnenuntergang, aufscheint. Nachdem auch das Rezitativ aus dem ersten Satz wieder verebbt ist, setzt eine effektvolle Steigerung des Rondothemas den Schlusspunkt des Konzerts.

Gesine Bockwoldt, Januar 2005

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[expand title=“Jean Sibelius – Sinfonie Nr. 2, D-Dur, op. 43″]

Der finnische Komponist Jean Sibelius gilt weltweit als musikalischer Repräsentant seines Landes schlechthin. Sein berühmtestes Werk ist die „Finlandia“ (1899). Im Zentrum seines vielfältigen Schaffens stehen die sieben Sinfonien, die von 1899 bis 1924 entstanden. Während seines Aufenthalts in Italien 1901 begann Sibelius mit den Skizzen seiner Sinfonie Nr. 2, die ihm noch viel Mühe bereiten sollte. Zur Erstaufführung, die er selbst dirigierte, kam es wegen vieler Revisionen der Partitur erst im März 1902. Sie fand vor ausverkauftem Saal statt und das Werk erreichte in Finnland eine bemerkenswerte Popularität. Vor dem Hintergrund der für Finnland bedrückenden politischen Lage – die russische Politik bedrohte die Unabhängigkeit des finnischen Staates – wurden verzweifelte nationale Gefühle auf Sibelius Sinfonie in D-Dur projiziert. Die Intensität dieser Musik, ihr oft heroisch-pathetischer Charakter boten hierfür einen willkommenen Anlaß. Der Mythos, Sibelius habe hier den Widerstand gegen die russische Vereinnahmung musikalisch porträtiert, hat sich lange gehalten, obwohl aus der Korrespondenz und den Aussagen des Komponisten das Gegenteil hervorgeht.

Mit der zweiten Symphonie setzt sich Sibelius endgültig von seinen romantischen Vorbildern Bruckner, Tschaikowsky und Dvorak ab. Hatte er sich früher zwar durch eine eigene Tonsprache profiliert, aber in formaler Hinsicht zur Tradition tendiert, so macht er nun eigene Experimente mit der symphonischen Form. Der erste Satz „Allegretto“ ist dreiteilig (Exposition – Durchführung – Reprise). Das erste Thema, eine Dreierfigur mit Tonrepetitionen, wird gefolgt von dem tänzerisch-„pastoralen“ Thema der Holzbläser. Durch die Hörner erhält es einen ruhigeren Abschluß. Nach einem Takt- und Tempowechsel schließt sich ein weniger idyllisches Thema in den Violinen an. Im zweiten Satz „Andante ma rubato“ lassen sich Spuren von Programmusik finden. Nach Sibelius` eigenen Andeutungen wird hier die Begegnung Don Juans mit dem Steinernen Gast (dem Tod) auf seinem Schloß illustriert, die schließlich durch das Prinzip Christus versöhnlich gemildert wird. Das Pizzicato der Bässe und Celli zeigt die gleichmäßigen Schritte des sich nähernden Gastes. Zunächst bleibt er still, dann beginnt er ein Lied, in dem er sich zu erkennen gibt: das düstere Thema des Fagotts. Die Modulation nach fis-moll mit dem ruhigen gesanglichen Motiv in Streichern und Bläsern wurde vom Komponisten mit dem Vermerk „Christus“ bezeichnet. Das Scherzo der Sinfonie trägt die Bezeichnung „Vivacissimo“ und setzt sich aus zwei Teilen zusammen, die sich im thematischen Material ähnlich sind. Es baut auf einem dreitönigen B-Dur-Motiv auf, das mit seiner lebhaften, fast rasenden Energie in verschiedenen dynamischen Abstufungen bald im Zentrum, bald im Hintergrund größer angelegter Themen steht. Fünf Paukentöne leiten zum Trio über, und es folgt die elegische Melodie der Oboe, die auch auf andere Instrumente übergeht. Sie erinnert mit ihren Repetitionen an das entsprechende Thema des ersten Satzes. Zum normalen dreiteiligen Muster (Scherzo – Trio – Scherzo) fügt Sibelius eine Reprise des Trios hinzu; von dort aus führt ein übergang direkt in den Schlußsatz. Das Finale ist breit angelegt und im Charakter raumgreifender als die übrigen Sätze. Die Sonatenhauptsatzform wird konsequent angewendet. Auch hier ist das Hauptthema dreitönig und erzeugt eine hymnische Stimmung. Die Nebenthemen bringen teils lyrische, teils pathetische Elemente ein; eine ausladende Coda, in der Trompeten und Posaunen das umgebildete erste Thema aufgreifen, läßt den Satz ausklingen.

Berenike Schröder, Januar 2005

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[expand title=“Solist: Bruno Weinmeister„]

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Als Friedrich Gulda 1993 ein umfangreiches Konzertprojekt in Hamburg plante, bat er den damals 20jährigen Cellisten Bruno Weinmeister zu sich und ließ ihn vorspielen. Daraufhin wurde dieser als Solist des NDR-Sinfonieorchesters Hamburg engagiert und feierte mit Guldas Cellokonzert unter der Leitung des Komponisten in der Großen Musikhalle Hamburg einen Aufsehen erregenden Erfolg. Seither ist der aus Salzburg stammende Künstler ein gefragter Cellist. Er konzertierte in fast allen großen Konzertsälen Europas. In dieser Saison spielt er die Cellokonzerte von Elgar, Dvorak, Schostakowitsch, Korngold, Caplet, Strauss und Gulda. Bei dem Lable Arte-Nova ist eine CD erschienen, auf der er mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Stuttgart Lutoslawskis Cellokonzert spielt sowie weitere Werke von Lutoslawski, Debussy und Webern.

Wichtige Stationen seiner Entwicklung sind solistische Auftritte mit dem Deutschen Symphonie-Orchester Berlin, der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz, dem Berliner Sinfonie-Orchester, etc. Dabei spielte er unter den Dirigenten Michael Gielen, Oko Kamu, Heinrich Schiff u.v.a. Einer der wichtigsten Förderer des jungen Cellisten war der Cellist und Dirigent Heinrich Schiff. Seit vielen Jahren konzertieren die beiden zusammen.

Neben seiner solistischen Arbeit widmet sich Bruno Weinmeister seit ganz frühen Jahren der Kammermusik. Er spielt regelmäßig mit seinen Geschwistern und konzertierte mit Heinz Holliger, Emanuel Pahud, Barbara Bonney u.v.a. 1997 übernahm er die Stelle des 1. Konzertmeisters der Violoncelli bei der Staatskapelle Dresden. Nachdem er diese volle Position aufgegeben hatte, war er dort bis 2001 als freier Mitarbeiter verpflichtet. Seither konzertiert er nur noch als Kammermusiker und Solist. Bruno Weinmeister studierte Violoncello in Basel, Salzburg und Berlin bei Heidi Litschauer, Wolfgang Boettcher und Heinrich Schiff. Außerdem studiert er Dirigieren an der Musikhochschule Hannover bei Eiji Oue und machte Meisterkurse bei Jorma Panula. (Juni 2004)

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