Juni 2001

[expand title=“Carl Maria von Weber – Ouvertüre zu Oberon“]

Webers sechste und letzte Oper Oberon, die an so unterschiedlichen Schauplätzen wie dem Märchenreich des Elfenkönigs, dem Orient und dem Hofe Karls des Großen spielt, wird äußerst selten aufgeführt. Ihre Ouvertüre hingegen, die erst drei Tage vor der Premiere als letztes Stück der Oper fertig gestellt wurde, hat einen festen Platz im Konzertrepertoire. Sie beginnt mit einer langsamen Einleitung, die „tutto pianissimo possibile“ gespielt werden soll. Schon in den ersten Takten exponiert Weber eine ganze Reihe verschiedener Klangfarben. Auf das Solohorn, das als Zauberhorn des Elfenkönigs Oberon eine wichtige Rolle in der Oper spielen wird, folgen sordinierte Streicher. Zweiunddreißigstel-Staccati in Flöten und Klarinetten, rhythmische Figuren der gedämpften Trompete sowie verwischende Motive in den Geigen lassen die magische Welt Oberons erahnen. Mit einem Fortissimo-Schlag kommt das geheimnisvolle Vorspiel zu einem plötzlichen Ende. Das folgende Allegro con fuoco wird von lebhaft treibenden Sechzehntelfiguren bestimmt. Nach einer kurzen ruhigen Überleitung ertönt eine schwärmerische Klarinettenmelodie, die bald von dem Zitat: „Mein Hüon, mein Gatte“ aus der großen Szene der Rezia aus dem zweiten Akt abgelöst wird. Dieses Motiv, das stellvertretend für die unerschütterliche Liebe des Paares Hüon und Rezia steht, bleibt bis zum feierlichen Ende der Ouvertüre in D-Dur ständig präsent.

Robert Waltemath, Juni 2001

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[expand title=“Hans Werner Henze – Seconda sonata per archi“]

Hans Werner Henze zählt zu den angesehensten deutschen Komponisten unserer Zeit. Sein umfangreiches Oeuvre umfasst nahezu alle musikalischen Gattungen. Die Idee für die dreisätzige Seconda sonata per archi, aus der die AOV heute abend den 1. und 2. Satz spielt, entstand 1993 bei einem Konzert der Londoner Proms, bei dem Henze das Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung von Kurt Masur mit der 4. Sinfonie Anton Bruckners hörte. Er zeigte sich vor allem von „der Art und Weise, in der die Streicher tief durchatmend die Bögen über die Saiten ziehen“, beeindruckt. Damals war er gerade mit der Komposition der Oper Venus und Adonis beschäftigt. Henze berichtet, dass er in dieser Oper „eine Gruppe von sechs Hirten a cappella mit Musik zu versehen hatte“. Nun sei ihm die Idee gekommen, „die Vielstimmigkeit, das Expressive dieser sechs Singstimmen auf das Streicherische zu übertragen“. Henze widmete die Seconda sonata per archi dem Gewandhausorchester Leipzig. Die Uraufführung fand am 7. November 1996 unter Kurt Masur statt. Es haben sich viele weitere Aufführungen angeschlossen und auch in diesem Jahr steht das Werk anlässlich des 75. Geburtstages des Komponisten in zahlreichen Städten auf dem Programm.

Robert Waltemath, Juni 2001

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[expand title=“Richard Wagner – Vorspiele zum 1. und 3. Akt der Oper Lohengrin“]

Das Vorspiel zum ersten Akt von Lohengrin gehört zu den beliebtesten und bekanntesten Orchesterwerken Wagners überhaupt. Er selbst erklärt 1853 im Programm der Festkonzerte in Zürich: „Als Einleitung für sein Drama wählte sich der Tondichter des Lohengrin die wunderwirkende Darniederkunft des Grals im Geleite der Engelsschar zum Gegenstande einer Darstellung in Tönen. Dem verzückten Blicke höchster, überirdischer Liebessehnsucht scheint im Beginne sich der klarste, blaue Himmelsäther zu einer wundervollen … Erscheinung zu verdichten; in unendlich zarten Linien zeichnet sich … die wunderspendende Engelsschar ab, die, in ihrer Mitte das heilige Gefäß geleitend, aus lichten Höhen unmerklich sich herabsenkt.“ Tatsächlich ist die Ouvertüre eines der eindrucksvollsten Zeugnisse seiner Instrumentationskunst.

Wagners Musik erfüllt alle Kriterien für einen zarten, reinen und lichten Orchesterklang. Die weihevoll getragene Melodie in A-Dur wird zunächst im Piano von den vielfach geteilten Violinen in hoher Lage, teilweise mit Flageolett-Tönen, vorgetragen. Alle anderen Instrumente bleiben ausgeklammert. Wagner nutzt im weiteren Verlauf ungemein kunstvoll die Klangfarbe als Steigerungsmittel. Die Wiederholung eines Abschnitts ist immer mit einer Zunahme der Klangfülle ohne Steigerung der Dynamik verbunden. Das Ergebnis ist ein groß angelegtes Crescendo nur durch Instrumentation. Erst mit dem Eintritt der Trompeten in der vierten Wiederholung hebt Wagner die Piano-Vorschrift auf und schreibt ausdrücklich ein Crescendo vor. Der glanzvolle Höhepunkt des Vorspiels wird von Trompetenklang dominiert und von Beckenschlägen gekrönt. Nach dieser äußersten Prachtentfaltung geht die Klangfülle wieder allmählich zurück und die ätherische Stimmung des Beginns mit Violinen in höchster Lage wird wiederhergestellt.

Das Vorspiel zum dritten Akt ist von völlig anderem Charakter. Es steht in der Oper vor dem berühmten Brautchor („Treulich geführt“) und bereitet auf die bevorstehende glanzvolle Hochzeit zwischen Elsa und Lohengrin vor. Die kraftvoll-festlichen Rahmenteile werden in voller Orchesterbesetzung im Fortissimo vorgetragen. Die Blechbläser dominieren und übernehmen zum großen Teil melodieführende Funktion. Der kurze Mittelteil ist zurückhaltender und schlichter. Hier verwendet Wagner fast ausschließlich Holzblasinstrumente, wobei zunächst der Oboe die führende Rolle zukommt.

Robert Waltemath, Juni 2001

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[expand title=“Johannes Brahms – Doppelkonzert für Violine und Violoncello a-moll“]

Johannes Brahms hat insgesamt vier Sinfonien und vier Konzerte geschrieben, darunter zwei Klavierkonzerte, ein Violinkonzert und das Doppelkonzert für Violine und Violoncello. Als Brahms Letzteres komponierte, waren Konzerte für mehrere Soloinstrumente längst aus der Mode gekommen. Waren sie im Barock als Concerti grossi noch an der Tagesordnung, haben sich aus späterer Zeit nur Mozarts Konzert für Flöte und Harfe und seine „konzertanten Sinfonien“ sowie Beethovens Tripelkonzert im Repertoire behauptet. Die Ungewöhnlichkeit seines Vorhabens war Brahms durchaus bewusst. In einem Brief an Clara Schumann schreibt er: „Von mir kann ich Dir recht Drolliges erzählen. Ich habe nämlich den lustigen Einfall gehabt, ein Konzert für Geige und Cello zu schreiben.“ Das Konzert hatte aber auch einen äußeren Anlass. Joseph Joachim, für den Brahms das Violinkonzert geschrieben hatte, hatte die 30 Jahre währende gemeinsame Freundschaft tief gekränkt aufgekündigt, nachdem seine Frau Amalie im Ehestreit vor Gericht einen privaten Brief von Brahms als Beweismittel für ihre Treue herangezogen hatte. Brahms versuchte nun mit dem Doppelkonzert, das er Joachim und Robert Hausmann, dem Cellisten des Joachim-Quartetts, widmen wollte, den Kontakt wieder aufzunehmen. Und tatsächlich kam es am 18.10.1887 zur gemeinsamen Uraufführung des Werkes, so dass Clara Schumann in ihrem Tagebuch vermerken konnte: „Es ist dies gewissermaßen ein Versöhnungswerk – Joachim und Brahms haben sich seit Jahren zum ersten Mal wieder gesprochen.“ Das Doppelkonzert in a-Moll ist Brahms‘ letztes großes Orchesterwerk. Auffällig ist, dass er die Solopartien in die musikalische Gesamtidee einschmilzt: Es gibt keine eigentlichen Solokadenzen oder -episoden, sondern lediglich eine Solointroduktion im ersten Satz. Das Besondere des Werkes ist also weniger in der Virtuosität der einzelnen Solopartien zu suchen, als vielmehr in deren lückenloser Verzahnung und klanglicher Homogenität. Das thematische und begleitende Material wird oft zunächst sukzessiv vorgestellt und dann simultan verarbeitet, wobei das Cello meist die führende Rolle übernimmt. Formal knüpft Brahms an die traditionelle dreisätzige Konzertform an. Das Werk vermeidet jedoch wörtliche Wiederholungen und ist durch ständige Variation geprägt. Im Allegro beginnt zunächst das Orchester mit dem kraftvollen ersten Thema, das sich durch punktierten Rhythmus und Triolen auszeichnet. Danach wird das musikalische Material vom Solocello „in modo d’un recitativo“, also im Stile eines Rezitativs, verarbeitet. Nachdem die Bläser kurz das lyrische zweite Thema angedeutet haben, fährt die Solovioline fort, um dann gemeinsam mit dem Cello eine Art auskomponierter Kadenz zu spielen. Nach einer durch Synkopen geprägten Überleitung erklingt das zweite Thema in C-Dur, das an ein Thema aus Viottis 22. Violinkonzert in a-Moll angelehnt ist. Dieses Werk verehrten sowohl Brahms als auch Joachim. Die ersten vier Töne des kantablen zweiten Satzes sind den Bläsern im Piano vorbehalten und erinnern an einen fernen Hornruf. Danach stellen die Solisten ein melancholisches Thema in Oktaven vor. Der Mittelteil in F-Dur zeichnet sich durch ruhige Terz- und Sextparallelen in den Holzbläsern, Triolen und Sechzehntelbewegungen in den Soloinstrumenten und Synkopen in den Streichern aus. Das rondoartige Finale wird vor allem durch das leichte, tänzerische und rhythmisch prägnante erste Thema bestimmt. Einen Kontrast bildet das eher ruhige zweite Thema, das nach dem Mittelteil, in dem Brahms die Holzbläser an der Verarbeitung des thematischen Materials teilhaben lässt, in A-Dur in den Soloinstrumenten wiederkehrt. Bis zum fröhlich jubelnden Schluss mit Paukenwirbel bleibt das Werk in dieser Tonart.

Robert Waltemath, Juni 2001

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[expand title=“Solisten: Rainer Sonne, Jan Diesselhorst„]

Rainer Sonne, geboren in Göttingen, seit 1973 Konzertmeister beim Berliner Philharmonischen Orchester. 1966 Preisträger des nationalen Wettbewerbs „Jugend musiziert“. Von 1969 bis 1976 Studium an der Musikhochschule Köln bei Igor Ozim. Meisterkurse bei Max Rostal, Sandor Vegh und Nathan Milstein. 1975 Gewinner des Mozart-Wettbewerbs in Würzburg. Zusätzlich zum Konzertmeister-Dienst solistische Tätigkeit, auch mit dem Berliner Philharmonischen Orchester. Als Leiter des „Charis-Ensembles“, der „Philharmonischen Solisten“ und des „Divertimento Berlin“ hat Rainer Sonne zahlreiche Radio- und CD-Aufnahmen eingespielt. (Juni 2001)

Jan Diesselhorst, geboren in Marburg, aber aufgewachsen in Göttingen. Seit 1977 Mitglied des Berliner Philharmonischen Orchesters. Studierte bei Alexander Molzahn in Frankfurt/M. und bei Wolfgang Böttcher in Berlin. Gewinner verschiedener Preise und Stipendien während der Studienzeit. Mit dem 1985 gegründeten Philharmonia Quartett erfolgreiche Konzertreisen durch Deutschland, Europa, USA und Japan. Zahlreiche CD-Aufnahmen. Jan Diesselhorst unterrichtet außerdem an der Orchester-Akademie der Herbert-von-Karajan-Stiftung Kammermusik und spielt seit 1993 mit seiner Frau, der Pianistin Gesine Tiefuhr, und dem Geiger Jaroslav Sonsky Klaviertrio. (Juni 2001)

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