Juni 2002

[expand title=“Serge Prokofieff – Klavierkonzert Nr. 3 C-Dur op.26″]

Sergej Prokofjew war ein äußerst vielseitiger Komponist. Er schrieb Sinfonien, Opern, Ballette, Filmmusiken, Chorwerke, Lieder und vor allem Klaviermusik. Betrachtet man sein Gesamtwerk, dann sind gewisse Parallelen zu Beethoven unverkennbar: Bei beiden Komponisten besteht etwa ein Drittel ihres Schaffens aus Klaviermusik, beide waren hervorragende Pianisten und schrieben fünf Klavierkonzerte, vorwiegend für ihr eigenes öffentliches Auftreten. Und auch Prokofjew erweiterte – wie Beethoven 100 Jahre zuvor – die Klaviertechnik ganz erheblich. Rasante Passagen, ineinandergreifende Figuren, blitzschnelles Übergreifen der Hände, große Sprünge und brillante Akkordfolgen in rasendem Tempo: alles das wird vom Interpreten in kompliziertester Abfolge, in völliger Klarheit und mit präziser Artikulation verlangt.

Die fünf Klavierkonzerte entstanden in einem Zeitraum von rund 20 Jahren zwischen 1911 und 1932. Das 1. Konzert in Des-Dur, ein viertelstündiges Stück in einem Satz, spielte der junge Komponist in der Abschlußprüfung seines Klavierstudiums am Petersburger Konservatorium. Mit dem 2. Konzert in g-Moll schockierte Prokofjew sein Publikum durch ungewöhnlich dissonante, „barbarische“ Klänge. Im 4. Konzert in B-Dur ist der Solopart für die linke Hand allein geschrieben. Es war ein Auftragswerk für den einarmigen Pianisten Paul Wittgenstein, der es aber nie spielte. So wurde es erst drei Jahre nach Prokofjews Tod in der DDR uraufgeführt. Die Uraufführung seines 5. Konzertes in G-Dur spielte Prokofjew zusammen mit den Berliner Philharmonikern unter Furtwängler. Obwohl der Komponist eine „neue Einfachheit“ anstrebte, verlangt es vom Solisten eine so monströse Fingerakrobatik, daß es nur selten aufgeführt wird.

Das 3. Klavierkonzert in C-Dur op. 26, das heute abend auf dem Programm steht, ist nicht nur das beliebteste unter den fünf Klavierkonzerten Prokofjews, sondern gehört zusammen mit dem G-Dur-Klavierkonzert von Ravel zu den populärsten Klavierkonzerten des 20. Jahrhunderts. Erste Entwürfe stammen aus dem Jahre 1913, aber vollendet wurde es nach mehreren Unterbrechungen erst im Jahre 1921. Die Uraufführung mit dem Komponisten am Klavier fand am 16. Dezember desselben Jahres in Chicago statt. Prokofjew berichtete darüber: „Die Leute verstanden es kaum, aber sie hielten es immerhin aus.“ Erst ein halbes Jahr später konnte sich das Stück mit der europäischen Erstaufführung in Paris durchsetzen.

Nach dem düsteren g-Moll-Konzert schrieb Prokofjew hier ein heiteres, brillantes Werk, locker und witzig, mitunter auch sarkastisch und bissig im Tonfall. Die zeitliche Nähe zur heiter-grotesken Oper „Die Liebe zu den drei Orangen“ ist auffällig. Bereits die Tonart C-Dur ist Programm: Das Konzert verwirklicht die Idee, „C-Dur zu bekräftigen und zu verherrlichen, nicht als eine Tonart unter vielen, sondern als ganz spezifischen Modus, als ganz eigene Sphäre, die völlig sich selber genügt.“ (Boris Assafjew)

Der 1. Satz beginnt mit einer verträumten Melodie der Klarinette (Andante), die von den Violinen wiederholt wird. Das sich anschließende Allegro führt sehr rasch zum Eintritt des Klaviers. Auf den toccatenartigen Hauptgedanken folgt das sarkastische Seitenthema (Oboe/Kastagnetten) und – più mosso – ein 3. Thema in den Streichern (staccato), das vom Klavier triolisch umspielt wird. Im Zentrum des Satzes steht die Wiederholung der Andante-Einleitung, nun zu einer größeren lyrischen Episode erweitert. Der dritte Teil des Satzes – wieder Allegro – beginnt mit einer wilden Jagd des Klaviers, von der sich die Violinen mitreißen lassen und mündet in die Reprise des Anfangs-Allegros, wobei der zweite und dritte Themenkomplex in umgekehrter Reihenfolge erklingt. Eine kurze Coda (Più mosso) endet sehr überraschend.

Der 2. Satz ist ein Variationssatz. Das Thema (Andantino), liedhaft und einprägsam, wird von Flöte und Klarinette vorgestellt, unterstützt von leicht abgesetzten Akkorden der Streicher.

Die 1. Variation (l’istesso tempo) wird vom Klavier begonnen. Das Thema erscheint hier „à la Gershwin“ harmonisiert, wird wiederum von Flöte und Klarinette übernommen, begleitet von Trillerketten im Klavier.

Die 2. Variation (Allegro) beginnt mit stürmischen C-Dur-Tonleitern im Klavier, die Trompete intoniert schneidend und aggressiv das Thema in Cis-Dur.

Die 3. Variation (Allegro moderato) entfernt sich weiter vom Thema. Zu den energiegeladenen Triolen des Klaviers treten im Orchester melodische Floskeln, die aus dem Mittelteil des Themas abgeleitet sind.

Die 4. Variation (Andante meditativo) verläuft, wie seit Mozart für die vorletzte Variation üblich, in ruhigem Tempo. Der charakteristische Auftakt des Themas (der Quartsprung wird hier zum Oktavsprung erweitert) ist der Ausgangspunkt für immer neue filigrane Girlanden des Klaviers, die in leichter Chromatik abwärts gleiten. Flöten, Hörner und Streicher vervollständigen mit geheimnisvollen Einwürfen und leisen Liegetönen dieses zauberhafte Klanggemälde.

Die 5. Variation (Allegro giusto) benutzt vor allem den ersten Takt des Themas: Die fallende Skala wird in eine aufsteigende umgekehrt und bekommt so einen unverwüstlich optimistischen Charakter. Das Klavier setzt sich („energico“) mit gehämmerten Doppeloktaven gegen die Klangmassen des Orchesters zur Wehr, bis nach einem plötzlichen Diminuendo das Thema in voller Länge wiederholt wird, nun vom Klavier in leichtem Staccato umspielt. Der Satz endet ruhig und nachdenklich.

Der 3. Satz ist dreiteilig in A-B-A-Form angelegt, wobei jeder dieser Teile wiederum in verschiedene Abschnitte unterteilt ist. Diese Art der lockeren Aneinanderreihung kurzer Episoden ist vor allem für Prokofjews Opern, Ballette und Filmmusiken bezeichnend. Hier im 3. Klavierkonzert begegnet der Komponist der Gefahr einer gewissen Kurzatmigkeit, indem er zumindest im Mittelteil (B) das Tschaikowski nahe Gesangsthema einem übergeordneten dynamischen Prozeß eingliedert: Die Melodie wird zuerst (piano) von den Holzbläsern vorgestellt. Das Klavier greift den Gedanken nicht auf, sondern entwirft, leicht provokant, ein etwas groteskes Gegenthema. Daraufhin erklingt das Gesangsthema unverändert zum zweiten Mal, nun mezzopiano, in Celli, Bratschen und Violinen. Es folgt eine Rücknahme: Die geteilten Ersten Violinen spielen es pianissimo, ganz ohne „espressivo“, das Klavier steuert „leggierissimo“ zierliche Figurationen bei. Jetzt erst setzen Klavier und Orchester in einem vierten Durchgang zur abschließenden Steigerung an.

Der dritte Teil des Satzes nimmt den Anfangsgedanken (Fagott und Streicher pizzicato) wieder auf, allerdings in schnellerem Tempo. Mehrere Steigerungs-Anläufe werden immer wieder geschickt abgebrochen, bis nach einem fulminanten pianistischen Feuerwerk Orchester und Solist gemeinsam die Zielgerade in strahlendem C-Dur erreichen.

Thomas-Michael Gribow

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[expand title=“Antonin Dvorák – Sinfonie Nr. 5 F-Dur op.76″]

Die Symphonie Nr. 5, von Dvoráks Verleger Fritz Simrock ursprünglich als die „Dritte“ publiziert, entstand im Zeitraum von Mitte Juni bis Ende Juli 1875 in Prag. Für Dvorák war dieses Jahr eine Zeit großer kompositorischer Aktivität; Opern und eine beträchtliche Menge an kammermusikalischen Werken entstanden. Zur gleichen Zeit erhielt er, der sich und seine Frau bisher von seiner schlechtbezahlten Tätigkeit als Musiklehrer und Organist ernähren mußte, ein Stipendium der österreichischen Regierung. Auf diese Weise ermutigt, sah er seinen persönlichen und künstlerischen Weg nun klarer vor sich, und der Symphonie F-Dur wird eine, im Vergleich mit Dvoráks vorherigen symphonischen Werken, neue (satz-)technische und motivische Klarheit und Reife zugesprochen.
Der erste Satz Allegro ma non troppo beginnt mit einem idyllisch-heiteren Motiv der Klarinetten, das sich streng an die Grundtonart F-Dur hält. Das zweite, hinzutretende Thema wirkt nicht zuletzt durch seinen synkopischen Charakter kraftvoller, doch es wird wiederum durch die Ruhe und Lieblichkeit einer zuerst in den Violinen auftretenden, chromatischen Melodielinie abgelöst.
Das letzte der Expositionsthemen, von Streichern und Holzbläsern gleichermaßen ausgeführt, bewegt sich akzentuiert, an energische Schritte erinnernd, in h-moll abwärts. Die Durchführung arbeitet vor allem mit dem Grundthema. Am Schluß des Satzes findet der Orchesterklang zurück zur beruhigten und pastoralen Stimmung des Anfangs.
Das folgende Andante con moto trägt Züge eines lyrisch-melodischen Intermezzos mit überwiegend schwermütigem Charakter; lediglich der Mittelteil (un pochettino piu mosso) bewirkt eine Aufhellung der Stimmung. Die Celli beginnen mit dem gesanglichen Thema, das von den Violinen aufgenommen und hierauf von den übrigen Streichern wie auch Fagotten und Hörnern fortgesponnen wird. Flöte und Fagott stimmen es in entwickelter Form, unter kontrapunktischer Begleitung der Klarinette wiederum an; die bewegliche Streicherbegleitung bildet auch den kurzen „Abgesang“ des ersten Teils. Es folgt der Mittelteil mit einem neuen Motiv in den Bläsern; daraufhin fügen Celli und Oboe die melancholische Anfangslinie hinzu, so daß die Motive miteinander verschmelzen.
Dem dritten Satz, Allegro scherzando, in B-Dur, der nach einer kurzen Pause angeschlossen wird, geht eine kurze Einleitung Andante con moto, quasi l’ìstesso tempo, voraus, die das Thema des Andantes durch die Celli noch einmal rezitativisch andeutet; nach einer Generalpause folgt das Scherzo, das mit einem tänzerischen, charmanten Motiv in den Holzbläsern eingeführt wird. Diese musikalische Figur wandert in vielen harmonischen Abwandlungen durch die Instrumentengruppen, bis mit Modulationen zum Trio in Des-Dur übergeleitet wird. Hier setzt ein weiteres, ebenso scherzhaftes Thema ein, das Streicher und Bläser zunächst im Dialog ausführen; später fügen sie sich zusammen zu einem lebhaften Tanz in As-Dur. In beruhigter Stimmung geschieht der Übergang in den dritten Teil des Satzes, der den Anfangsteil wörtlich wiederholt.
Das Finale Allegro molto wird als der herausragende Satz der Symphonie angesehen; er sticht hervor durch den betont kämpferischen, triumphalen Charakter seiner Motive und die Komplexität der Themenführung. Dem eigentlich dominanten F-Dur wird außerdem hier a-moll fast gleichberechtigt an die Seite gestellt, so daß eine tonale Gespaltenheit vorherrscht.
Der Satz beginnt mit dem aufstrebenden, fast trotzigen a-moll-Thema in den Celli, das später in einer abgewandelten Form, nun mit dem Oktavsprung beginnend, wieder auftaucht. Das ruhige, weitgespannte Nebenthema findet sich in den Klarinetten und Violinen, wiederholt von Flöten, Oboen und Violinen in Des-Dur. Mit seinem scharf akzentuierten Beginn, unterstützt von einer Fanfare der Trompeten, kündigen die Hörner die Durchführung an, die eine komplizierte und bunte Verarbeitung aller Grundgedanken ist.
In der Reprise finden sich Figuren aus dem ersten Satz der Symphonie wieder; es wird an den Anfang des Stücks erinnert, bevor es kraftvoll beschlossen wird. Dank dieses Finalsatzes tritt die Symphonie, (so J. Clapham), „ab wie ein Löwe“, nachdem sie „hereinschlich wie ein Lamm“.

Berenike Schröder, Juni 2002

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[expand title=“Solistin: Hisako Kawamura„]

kawamura

Hisako Kawamura wurde in Nishinomiya (Japan) geboren und bekam ihren ersten Klavierunterricht im Alter von fünf Jahren bei Kyoko Sawano.

Zu ihren Mentoren gehö- ren Malgorzata Bator-Schreiber in Göttin- gen, die sie musikalisch und künstlerisch aufbaute, und Prof. Vladimir Krainev,

der sie zu einer musikalischen Persönlichkeit formte.
Nach zahlreichen herausragenden Erfolgen bei internationalen Klavierwettbewerben begann Kawamuras internationale Konzerttätigkeit. Sie gewann u. a. den Concours Clara Haskil in Vevey, den Concorso G. B. Viotti in Vercelli, den Concorso A. Casagrande in Terni, den Chopin-Wettbewerb Darmstadt und wurde Preisträgerin des Concours Géza Anda in Zürich, des Internationalen Musiwettbewerbs der ARD in München und des Concours Reine Elisabeth in Brüssel.
Sie konzertierte mit internationalen Orchestern (u.a. dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin, Wiener Symphoniker, Berner Symphonieorchester, St. Petersburg Philharmonic Orchestra, Tokyo Philharmonic Orchestra, Japan Philharmonic Orchestra) und arbeitete mit Dirigenten wie Alexander Dmitriev, Vladimir Fedosseyev, Theodor Guschlbauer, Junichi Hirokami, Taijiro Iimori, Eliahu Inbal, Marek Janowski, Kenichiro Kobayashi, Kazuhiro Koizumi, Fabio Luisi, Erwin Lukac und Tatsuya Shimono zusammen.
Im Oktober 2011 trat sie als Solistin mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski auf dessen Japan-Tournee auf.

Außerdem ist für Juni 2012 eine Tournee mit dem Russian National Orchestra unter der Leitung von Mikhail Pletnev geplant.
Im 2009 erschien ihre Debüt-CD mit dem Titel Hisako Kawamura plays Chopin bei RCA Red Seal.

Im Herbst 2011 folgte die zweite Aufnahme bei dem gleichen Label, mit Werken von Schumann und Chopin, welche begeisterte Stimmen von der Presse bekam.

1986 – 1998 Klavierunterricht bei K. Sawano-Krall in Düsseldorf und M. Bator-Schreiber in Göttingen
seit 1998 Studentin an der Hochschule für Musik und Theater Hannover in der Klasse von Prof. V. Krainev
1994, 1996 1. Bundespreise bei „Jugend musiziert“
1995 – 1996 Preisträgerin von mehreren internationalen Wettbewerben wie z. B. in Senigallia/Italien, Ettlingen/Deutschland
1998 1. Preis und Spezialpreis für die beste Interpretation des spanischen Werkes in Carlet (Valencia)/Spanien
1999 1. Preis und Publikumspreis beim Europäischen Chopin-Wettbewerb in Darmstadt/Deutschland
2001 1. Preis beim Internationalen Musikwettbewerb „G. B. Viotti“ in Vercelli/Italien
2002 5. Preis und Sonderpreis für die beste Interpretation des chinesischen Werkes beim 1. China Shangai International Youth Piano Competion
1994 2. Preis und alle 4 Sonderpreise (Sonderpreis für die beste Interpretation des französischen Pflichtwerkes (G. Connesson), Publikumspreis, Preis der Musikzeitschrift „Classica“ und Preis des Fernsehsenders TV 2) bei Piano Campus in Cergy-Pontoise/Frankreich
1996 IBACH-FörderpreisWettbewerbsstipendium der Chopin-Gesellschaft Hannover
1999 Förderpreis beim Internationalen Musikfestival in Dietzenbach/Deutschland
seit 1995 Klavierabende, Konzerte mit Orchestern und kammermusikalische Tätigkeit in verschiedenen Städten Deutschlands, Österreichs, Frankreichs, Hollands, Italiens, Polens, Tschechiens, Zyperns und Japans
1996 Rundfunkaufnahme beim Norddeutschen Rundfunk

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