Juni 2004

[expand title=“Jean Sibelius – Pan und Echo“]

Jean Sibelius wurde am 8. Dezember 1865 in der finnischen Stadt Hämeenlinna geboren. Ab dem 9. Lebensjahr erhielt er Klavier-, später auch Violinunterricht. Sibelius studierte von 1885 bis 1891 Musik, zunächst in Helsinki, anschließend in Berlin. Nach seiner Rückkehr nach Helsinki kam er erstmals mit starkem finnischen Nationalbewusstsein in Kontakt, das in mehreren seiner Werke zum Ausdruck kommt. Die bekanntesten Kompositionen unter diesem Aspekt sind seine 1. Sinfonie und die Tondichtung „Finlandia“. Mit diesen Werken rückte Sibelius auch zum ersten Mal die Musik Finnlands in das Licht der Weltöffentlichkeit. Konzertreisen führten ihn durch ganz Europa und bis nach Amerika.

1924 dirigierte Jean Sibelius sein letztes Konzert und stellte fünf Jahre später seine Komponiertätigkeit ein. Über den Grund seines musikalischen Schweigens während der letzten drei Jahrzehnte ist nach seinem Tod viel spekuliert worden. Sibelius selbst hatte sich nie dazu geäußert. Er starb am 20. September 1957 in Järvenpää, Finnland. Sibelius hinterließ 7 Sinfonien, zahlreiche Tondichtungen, Bühnen- und Kammermusikwerke.

Die Figuren aus dem Stück „Pan und Echo“ entstammen der griechischen Mythologie. Der Gott Pan, in seinem Aussehen halb Ziege, halb Mensch, lebte in den Wäldern von Arkadien (auf dem Peloponnes) und galt als Beschützer der Schäfer und Hirten und ihrer Felder. Er wanderte durch das Land und verzauberte mit seiner Panflöte die Tiere und Nymphen des Waldes. Echo war eine der schönsten Nymphen in den griechischen Wäldern, die allseits begehrte Blicke auf sich zog. So verliebte sich auch Pan in die Fee und versuchte sie durch seine sanften Melodien zu betören. (Das Stück beginnt mit einer ebensolchen Melodie im Fagott.) Als Echo seine Liebe nicht erwiderte, wurde sein Verlangen immer größer und die Versuche energischer, die Schöne zu gewinnen. Schließlich konnte er sein Scheitern nicht mehr ertragen, er schickte seine Schäfer los, um Echo zu fangen und zu töten. Die Göttin der Erde, Gaea, nahm sie zu sich auf und schenkte ihr die Stimme zurück, mit der sie von nun an die Stimmen der Menschen und Tiere imitieren konnte.

Konrad August, Juni 2004

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[expand title=“Frédéric Chopin – Klavierkonzert Nr. 2 f-moll op. 21″]

Als Sohn eines lothringischen Sprachlehrers und einer Polin wurde Frédéric Chopin Anfang 1810 in der Nähe von Warschau geboren. Schon als Kind zeigte sich seine außergewöhnliche Begabung am Klavier, besonders im Improvisieren und Komponieren. Seine ersten Kompositionen werden auf 1817 datiert, bereits als Achtjähriger trat er in den Salons des polnischen Adels in Warschau auf. Angesichts des Warschauer Novemberaufstands entschloss sich Chopin 1830 zum Umzug nach Paris, wo er bald als gefeierter Klavierkomponist, Pianist und Klavierlehrer der Aristokratie im Mittelpunkt der Gesellschaft um Berlioz, Liszt, Kalkbrenner und Delacroix stand. Von 1838 bis 1847 führte er mit der Schriftstellerin George Sand eine Liebesbeziehung. Er starb am 17. 10. 1849 in Paris an einem Brustleiden.

Chopins kompositorisches Schaffen konzentriert sich auf die Klaviermusik, wie die zahlreichen Préludes, Nocturnes, Walzer, Mazurken, Polonaisen etc. bezeugen. Nur in den Warschauer Jahren 1828-1830 schrieb Chopin wenige Werke für Klavier und Orchester, u. a. die beiden Klavierkonzerte. Kennzeichnend für Chopins Musik sind die Verarbeitung national-polnischer Themen und die virtuose und empfindsame Klavierpoesie.

Das 1829/1830 entstandene Klavierkonzert in f-moll war eigentlich Chopins erstes und wird nur wegen der späteren Veröffentlichung als zweites bezeichnet. Damals war er 19 Jahre alt und schloss gerade sein Studium ab – ein Jugendwerk, das er selbst als Solist am 17. 3. 1830 in Warschau uraufführte. „Alle Vorzüge eines wahren Klaviervirtuosen vereinen sich bei Herrn Chopin in höchster Vollendung: Kraft, Geläufigkeit und vor allem Empfindung sind seine Hauptvorzüge, und der Anschlag einer jeden Taste ist bei ihm ein Ausdruck des Herzens.“, schrieb die Warschauer Zeitung. Es handelt sich um ein Virtuosenkonzert nach dem Typus des „Concerto brillant“ Johann Nepomuk Hummels, in dem das Orchester nur einen begleitenden Part übernimmt.

Der erste Satz „Maestoso“ steht in der Sonatenform und beginnt mit einer ausgedehnten Orchester-Exposition. Wie aus dem Nichts entwickelt sich das von den Streichern gespielte, erst melancholische, dann energische Hauptthema. Das gesangliche Seitenthema in der Durparallele wird von Oboe und Flöte vorgestellt. Mit einem effektvollen Pianissimo wird der Eintritt des Solisten vorbereitet, der beide Themen virtuos variiert.

Der zweite Satz, das „Larghetto“, ist dreiteilig aufgebaut. Leise stimmt das Orchester auf die zunächst zarte, später erfüllte Nocturne-Melodie des Klaviers ein. In scharfem Kontrast hierzu steht der dramatische, rezitative Mittelteil: Der bruchstückhaft und explosiv wirkende Klavierpart wird von bedrohlichem Tremolo der Streicher untermalt. Dazu zupfen unheimlich die Kontrabässe. Der Satz endet, wie er begonnen hat.

Das „Allegro vivace“ ist ein Rondo, in dessen Mittelteil Chopin einen polnischen Volkstanz – eine Mazurka – verarbeitet. Der Tanzcharakter wird dadurch unterstützt, dass die Streicher rhythmisch mit dem Bogenholz auf die Saiten schlagen (col legno). In der durch Hörnerdreiklänge eingeleiteten Coda kann der Pianist ein letztes Mal virtuos brillieren.

Gesine Bockwoldt, Juni 2004

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[expand title=“Dmitri Schostakowitsch – Sinfonie Nr. 5 d-moll op. 47″]

Dmitri Schostakowitsch wurde am 12. September 1906 in St. Petersburg geboren. Im Alter von 13 Jahren begann er am dortigen Konservatorium bei Maximilian Steinberg und dem Konservatoriumsdirektor Alexander Glasunov das Studium der Komposition. Mit nur 19 Jahren legte er 1925 seine originelle 1. Symphonie als Abschlussarbeit vor. Obwohl diese noch den Einfluss seiner Lehrer und seines Vorbilds Sergej Prokofiev erkennen ließ, machte sie Schostakowitschs Namen in Russland und im Ausland bekannt. Im Laufe seines Lebens lehrte Schostakowitsch einige Jahre als Professor für Komposition an den Leningrader und Moskauer Konservatorien. Er starb am 9. August 1975 in Moskau.
Inspiriert durch gastierende Jazzmusiker nahm Schostakowitsch großen Einfluss auf die russische Orchestermusik. Zeitweise war es sein Ziel, Konzertpianist zu werden. Als er 1927 bei einem Wettbewerb jedoch nicht wie erhofft den ersten Preis erlangte, konzentrierte er sich ganz auf das Komponieren. Vor allem in seinen beiden Opern „Die Nase“ (1930) und „Lady Macbeth von Mzensk“ (1935) schlug sich der frische Wind der westeuropäischen Moderne nieder.
Letztere hatte jedoch ein merkwürdiges Schicksal: Bei ihrem Erscheinen wurde sie als Meisterwerk begrüßt und als Inbegriff der proletarischen Oper gefeiert. 1936 aber fiel Schostakowitsch ihretwegen in Ungnade, als seine unkonventionelle Musik während einer Privatvorführung im Kreml das Missfallen Josef Stalins erregte.
Am 28. Januar 1936 befand sich Schostakowitsch auf einer Tournee und kaufte sich in Archangelsk die neueste Ausgabe der von Stalin gegründeten Zeitung „Prawda“. Auf der dritten Seite entdeckte er unter dem Titel „Chaos statt Musik“ eine vernichtende Kritik seiner Oper. Der Artikel „trug keine Unterschrift, war also als redaktionseigener Artikel gedruckt. Das heißt, er verkündete die Meinung der Partei. In Wirklichkeit die Stalins, und das wog bedeutend mehr“, so Schostakowitsch in seinen „Memoiren“. Die Kritik diente einer grundsätzlichen Abrechnung mit der „formalistischen“ Richtung und der „linken Entartung“ in seiner Musik.„Die Volksmassen erwarten schöne Lieder, aber zugleich auch gute Instrumentalwerke und Opern.“Schostakowitsch aber mutete seinen Zuhörern „Gepolter, Geprassel und Gekreisch“„Lärm“ und „neurotische Musik“ zu: „Gerät der Komponist gelegentlich in die Bahn einer einfachen und verständlichen Melodie, so stürzt er sich sofort wieder, als wäre er erschrocken über ein solches Unglück, in das Labyrinth des musikalischen Chaos, das stellenweise zur Kakophonie wird.“
Der Artikel auf der dritten Prawda-Seite veränderte ein für alle Mal Schostakowitschs ganze Existenz. Jene Kritik war das Startsignal einer weit reichenden Pressekampagne gegen ihn.
„Dies ist ein Spiel mit ernsthaften Dingen, das übel ausgehen kann“ stand in dem Zeitungsartikel. Was diese Formulierung in der Realität bedeuten konnte, zeigt z. B. das Schicksal des mit Schostakowitsch eng befreundeten Komponisten Nikolaj Schiljajew, der willkürlich inhaftiert, gefoltert und ermordet wurde. „Warten auf die Exekution ist eines der Themen, die mich mein Leben hindurch gemartert haben“, schreibt Schostakowitsch in seinen „Memoiren“. „Viele Seiten meiner Musik sprechen davon.“
Um seine Existenzgrundlage nicht zu verlieren, musste Schostakowitsch die Gunst der Parteioberen rasch zurückgewinnen. Noch nach der Hauptprobe zu seiner 4. Symphonie unterdrückte er diese und hielt sich von da an näher an die Vorgaben der kommunistischen Partei, im Sinne des Sozialistischen Realismus monumental, volkstümlich und optimistisch zu komponieren.

Mit seiner 5. Symphonie gelang Schostakowitsch das Kunststück, sich vor dem Parteiapparat zu rehabilitieren, ohne sich künstlerisch zu verraten. In nur drei Monaten, in der Zeit vom 18. April bis zum 20. Juli 1937, komponierte er seine „Schöpferische Antwort eines Sowjetkünstlers auf begründete Kritik“, die am 21. November 1937 unter der Leitung von Jewgeni Mrawinski in Leningrad uraufgeführt wurde. Der äußerlich klassische Bau und die weitgehende Rückkehr zur Tonalität konnten die Zensoren gnädig stimmen: „Nach Anhören dieses Werkes kann man getrost sagen, dass der Komponist als wahrhaft großer sowjetischer Künstler seine früheren Fehler liquidierte und einen neuen Weg beschritten hat“, so Schostakowitschs Kollege Dmitri Kabalewski. Unter der Oberfläche verbirgt sich jedoch eine bittere Satire. „Tief befriedigt zog das ganze Pack davon. Die 5. Symphonie, vor dem Zugriff ihrer Klauen sicher, hallte in aller Welt wider und kündete von den Leiden des großen Russlands“, erinnerte sich Galina Wischnewskaja.
Das Moderato beginnt mit einer energischen Gestik im doppelt punktierten Rhythmus, aber schon im dritten Takt scheint die Kraft zu versiegen und in den ersten Violinen hebt piano eine ausgedehnte melodische Phrase elegischen Charakters an. Solche einsamen, mitnichten „einfache und verständliche Melodien“ und oftmals nur karg begleiteten Stimmen durchziehen die Exposition des ersten Satzes. Und wo bleibt die Monumentalität? Sie kommt im Laufe des Kopfsatzes durchaus noch zu ihrem Recht, indem das zarte Thema der ersten Violinen zum grotesken lärmenden Marsch entstellt wird und der ätherische Gesang des Seitenthemas in dröhnenden Blechbläserintonationen wiederkehrt.
Das Allegretto wird häufig als Scherzo aufgefasst, obwohl es wenig mit einem klassischen Scherzo zu tun hat. Nur das von der Solovioline intonierte ländlerartige Thema atmet ein wenig Leichtigkeit. Die übrigen Teile des Satzes sind charakteristisch für Schostakowitschs bitteren Humor. Die Unbeschwertheit wird immer wieder von einem schrillen Blechbläserthema unterbrochen, die Bedrohung bleibt.
Die Ruhe des darauf folgenden ergreifenden Largo erscheint daher unwirklich, fast überirdisch. Obwohl es eine sehr einfache Komposition zu sein scheint, drückt es eine Reihe von Gefühlen von Ruhe und Frieden bis hin zu Leid, Klage, Trauer und Resignation aus.
Über die vermeintlichen Sieges- und Jubelklänge des bombastischen Finales im Allegro non troppo mit seinem offensichtlichen Optimismus gab es von Seiten der Kritiker sehr geteilte Meinungen. Es provozierte vor allem die Missbilligung westlicher Kommen­tatoren. Folgte Schostakowitschs Fünfte etwa einer plakativen „Per aspera ad astra“-Dramaturgie? Dazu sagte Schostakowitsch jedoch: „Was in der Fünften vorgeht, sollte meiner Meinung nach jedem klar sein. Der Jubel ist unter Drohungen erzwungen. So, als schlage man uns mit einem Knüppel und verlange dazu: ,Jubeln sollt ihr, jubeln sollt ihr.´“
„Wenn es mir tatsächlich gelang, in meine Musik all das hineinzulegen, was ich nach den kritischen Artikeln der Prawda durchdacht und empfunden habe, kann ich zufrieden sein“, schrieb Schostakowitsch 1938. Seine Symphonie behandle das „Werden der Persönlichkeit“. Und in der Tat gibt seine Musik unmissverständlich zu verstehen, was aus der einzelnen, schutzlosen Persönlichkeit unter den Bedingungen einer Diktatur wird, deren Allmachtsanspruch keine Grenzen des Privaten respektiert.

Anna Lena Stahr, Juni 2004

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[expand title=“Solist: Denys Proshchayev„]

Denys Proshchayev wurde 1978 in Brest/Weißrussland geboren. Mit 8 Jahren bekam er ersten Violinunterricht, ein Jahr später begann er sein Lieblingsinstrument Klavier.

Seine ersten Lehrer waren Marina Krajsman, Irina Lipatova und Leonid Fundiller. Mit 14 Jahren wechselte Denis Proshchayev auf das Musikalische Gymnasium in Kiew und wollte von da an Berufsmusiker werden.

Seit 1995 folgten zahlreiche Erfolge bei internationalen Wettbewerben, so u. a. in Takasaki/Japan, beim Clara Haskil Wettbewerb in Vevey/Schweiz

und dem Vladimir Horowitz Memoriam Wettbewerb in Kiew.

Seit 1998 studiert Denys Proshchayev bei Vladimir Krajnev an der Hochschule für Musik und Theater in Hannover, wo er seit 2001 auch durch Eiji Oue als Kapellmeister ausgebildet wird. Nach dem Sieg beim Bundeshochschulwettbewerb und dem Europäischen Klavierwettbewerb in Bremen 2001 kam der internationale Durchbruch für den damals 23-jährigen mit dem 1. Preis beim Internationalen Wettbewerb für Musik der ARD 2002.

Seitdem folgten Einladungen zu den Münchner Philharmonikern, zum Frankfurter Museumsorchester, dem Dänischen Nationalorchester, dem SWR-Sinfonieorchester Stuttgart sowie zum MDR-Musiksommer und MDR-Sinfonieorchester.

Auch in Solorezitals war der junge Künstler schon in großen Sälen , so z. B. im Münchner Herkulessaal, im Kammermusiksaal der Berliner Philharmonie

und im Mozarteum Salzburg, zu hören. (Juni 2004)

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