Juni 2010

[expand title=“Ludwig van Beethoven – Klavierkonzert Es-Dur op. 73″]

Beethovens Großvater kam 1733 nach Bonn. Er wurde dort Hofmusiker und 1761 Kapellmeister. Auch Beethovens Vater war am Kurfürstlichen Hof als Musiker tätig, als Sänger; er war ein guter Geiger und gab außerdem Gesangs- und Klavierstunden. Schon in früher Kindheit wurde Beethoven vom Vater unterrichtet. 1779 kam der Komponist Christian Gottlob Neefe nach Bonn. Er wurde Beethovens Lehrer für Klavier, Generalbass und Komposition, unter anderem war Bachs Wohltemperiertes Klavier Gegenstand dieses Unterrichts. Neefe erkannte rasch die überragende Begabung seines Schülers und vertrat im März 1783 in Cramers Magazin der Musik die Ansicht: „Er würde gewiss ein zweiter Wolfgang Amadeus Mozart werden, wenn er so fortschritte, wie er angefangen.“

1784, als Dreizehnjähriger, erhält Beethoven eine Anstellung als Hoforganist, neben seinem Lehrer Neefe. 1789 wird die Bonner Hofoper eröffnet: Beethoven wirkt für mehrere Spielzeiten als Bratschist mit, unter anderem werden Mozerts Opern Die Entführung aus dem Serail, Le Nozze di Figaro und Don Giovanni aufgeführt. Nachdem ihn schon 1787 eine kurze Reise für Unterricht bei Mozart nach Wien geführt hatte, bereitet Beethoven Ende 1792, ein Jahr nach Mozarts Tod, seine längerfristige Übersiedlung nach Wien – damals die musikalisch führende Stadt Europas – vor, um bei Haydn zu studieren; es folgen nach Haydns Abreise nach London Studien bei Albrechtsberger und 1799 bei Salieri. Im März 1795 findet der erste öffentliche Auftritt im Burgtheater statt, Beethoven spielt vermutlich sein 1. Klavierkonzert – bei der Probe am Vortag soll er den Solopart in Cis-Dur gespielt haben, da der Flügel zu tief gestimmt war! Wenige Monate später erscheint das erste große Werk im Druck, die Trios op. 1.

Beethoven komponierte, abgesehen von einem Frühwerk von 1784, fünf Klavierkonzerte. Nr. 2 B-Dur op. 19 wurde noch vor Nr. 1 C-Dur op. 15 komponiert, aber etwas später, ebenfalls 1801 veröffentlicht. Bereits zwei Jahre darauf folgte die Uraufführung von Nr. 3 C-Moll op. 37, veröffentlicht 1804. An Nr. 4 G-Dur op. 58 arbeitete der Komponist in den Jahren 1804–1807, die Uraufführung kam wie die Veröffentlichung 1808. Im gleichen Jahr bot ihm Jerôme Bonaparte, der 1807–1813 in Kassel als „König von Westfalen“ residierte, eine Kapellmeisterstelle an und Beethoven zog dieses Angebot ernstlich in Erwägung. Es kam aber infolgedessen zu einem für die damalige Zeit einzigartigen Vertrag:

„[…] so haben Unterzeichnete den Entschluß gefaßt, Herrn Ludwig van Beethoven in den Stand zu setzen, dass die nothwendigsten Bedürfnisse ihn in keine Verlegenheit bringen, und sein kraftvolles Genie hemmen sollen“. Beethovens Förderer Kronprinz Rudolf und die böhmischen Fürsten Lobkowitz und Kinsky sagten dem Komponisten damit eine lebenslange Rente zu, wofür er sich in Wien aufzuhalten und zu komponieren hatte, und zwar was und wann er wollte.

Kurz darauf begann Beethoven mit der Niederschrift seines 5. Klavierkonzerts Es-Dur op. 73. Wie schon Nr. 4 (und viele weitere Werke) ist es Erzherzog Rudolf gewidmet, der auch Beethovens einziger Kompositionsschüler war. Da Beethoven ihn anhand dieses Konzertes unterrichtete, gibt es in den vorhandenen Handschriften viele Eintragungen und besondere Ausarbeitungen, die Einblicke in sein didaktisches Vorgehen bieten. Außerdem bereitete er die Partitur sorgfältig für die Veröffentlichung vor, die dann 1811 erfolgte, da er wegen seines nachlassenden Gehörs nicht selbst die Uraufführung spielen konnte. Ungewöhnlich ist auch, dass Beethoven eine eigene Kadenz des Solisten ausschloss.

Dagmar Escudier, Juni 2010

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[expand title=“Gustav Mahler – Symphonie Nr. 1 D-Dur“]

Gustav Mahler wurde 1860 als Sohn einer jüdischen Familie in Kalischt (Böhmen) geboren. Bereits früh zeigte sich seine überdurchschnittliche musische Begabung, die ihn dazu veranlasste, mit 15 Jahren am Konservatorium in Wien Klavier und Komposition zu studieren. Ab 1880 verdingte er sich als Kapellmeister an verschiedenen Theatern, komponierte aber neben dieser Tätigkeit stets weiter.

Seine erste Symphonie ist die Schöpfung eines 28-Jährigen, der in der Öffentlichkeit bis dato eher als „komponierender Dirigent“ denn als „dirigierender Komponist“ wahrgenommen wurde. Das Werk entstand in nur sechs Wochen und ist das Resultat eines rauschhaften Arbeitsprozesses im Frühjahr 1888. Am 18. November 1900 dirigierte Mahler die Uraufführung seiner ersten Symphonie im Rahmen eines philharmonischen Konzertes in Wien. Die extreme Intensität und die ungeheuere Vielfalt des Ausdrucks begründet die Neuheit der Mahlerschen Musik und erklärt zugleich die Irritationen, die sie bei seinen Zeitgenossen hervorrief. Die zahlreichen Änderungen und Neuerungen, denen Mahler seine erste Symphonie unterwarf, zeigen, wie sehr sich der später gefeierte Wiener Hofoperndirektor der Neuartigkeit seines Werkes bewusst war und wie sehr er darum bemüht war, seine Klangsprache dem Publikum näher zu bringen. So versah Mahler seine Komposition mit programmatischen Satztiteln, die dem Publikum das Verständnis erleichtern sollten, und gab ihr den an einen Roman von Jean Paul angelehnten Titel „Titan, eine Tondichtung in Symphonieform“, dennoch verzichtete er recht bald wieder auf diese Zusätze.

Gustav Mahlers erste Symphonie bildet bis heute zusammen mit den nachfolgenden acht Symphonien sowie seinen Klavier- und Orchesterliedern ein Kernstück des symphonischen Repertoires.

1. Satz
Schon zu Beginn von Mahlers erster Symphonie ist klar, dass es sich dabei wohl um ein Erstlings-, aber kein Anfangswerk handelt. Der unverwechselbare Mahlersche Ton ist bereits hier in aller Deutlichkeit ausgeprägt, und alles, was von den Mahlerexperten der letzten hundert Jahre als das Charakteristische seiner Symphonik hervorgehoben wurde, lässt sich mühelos finden: die über das rein Musikalische hinausweisende Sprachhaftigkeit der Musik, das schmerzvolle Hin- und Hergerissensein zwischen größten emotionalen Extremen, zwischen Todesnähe und Euphorie und das Nebeneinander der unterschiedlichsten musikalischen Stile vom scheinbar harmlosen Volksliedton bis hin zur strengen Polyphonie.

So beginnt die Symphonie mit einem Naturlaut, einem hohen Flageolettton in den Streichern, aus dem heraus die Welt allmählich aus ihrem Winterschlaf erwacht. Nach und nach ist ein Vogelruf zu vernehmen, die Kuckucksquarte erklingt und diverse Signale, die Sendboten einer bewohnten Gegend gleichen, treten später hinzu. Langsam, aber sicher erwacht die symphonische Welt Gustav Mahlers, in der nun ein fahrender Geselle auf das textlose Marschlied „Ging heut` Morgen übers Feld“ ausschreitet, welches aus seinen früheren Gedichtvertonungen der „Lieder eines fahrenden Gesellen“ stammt. Im Folgenden wird das Lied musikalisch verarbeitet.

Wesentlich ist die zyklische Konzeption der Symphonie. Unter den motivischen Verwandtschaften ist das Quartmotiv das markanteste, wodurch alle Sätze eng miteinander verflochten sind. Zahlreiche Vor- und Rückgriffe verdeutlichen den ideellen Zusammenhang, in dem die beiden Außensätze zueinander stehen und innerhalb dessen das Finale manches zu klären vermag, was der Eröffnungssatz an Fragen aufgeworfen hat.

2. Satz
„Aber Symphonie heißt mir eben: mit allen Mitteln der vorhandenen Technik eine Welt aufbauen.“ Diese Äußerung Mahlers über sein eigenes Schaffen kann nicht wörtlich genug genommen werden. Denn neben den Einflüssen der klassischen und romantischen Musik gehören zu seinem Werk eben auch das Musiziergut seiner Heimat, Marschrhythmen und Militärsignale, banale Gassenhauer und sentimentale Melodien. All diese Elemente finden gleichberechtigten Eingang in seine hoch differenzierte Tonsprache, und die Diskrepanz zwischen den beiden Sphären der Gebrauchs- und Kunstmusik ist mit verantwortlich für den speziellen Reiz, aber auch die Gebrochenheit der Mahlerschen Tonsprache.

Anzumerken ist, dass Mahler als zweiten Satz seiner Symphonie keinen langsamen Satz darbietet, sondern den Formtyp einen Scherzos wählt, welches der Musikkundige eigentlich an dritter Stelle einer Symphonie wähnt.

Das Scherzo gleicht einem massiv instrumentierten Bauerntanz, dessen kräftig bewegte Tanzmelodie im überraschend zarten Trio von sanften Streicher- und Holzbläserklängen abgelöst wird. Diese zaubern die ländliche Idylle eines grazilen Ländlers in den Violinen und Oboen hervor, dem später ein kantabler Walzer der Celli folgt. Doch schon bald darauf wird die ländliche Szene durch die Wiederkehr des Scherzos gebrochen. So kann man sagen, dass im zweiten Satz wohl die Symphonie auf den bunten Boden der Realität gefallen ist.

3. Satz
Im vorletzten Satz der ersten Symphonie zeigt sich die vielfach irritierende Originalität von Mahlers Kompositionsstil wohl am deutlichsten. Der Komponist betitelte ihn als „einen Trauermarsch in Callots Manier“. Die äußere Anregung zu diesem Teil der Symphonie erhielt Mahler durch das damals in Süddeutschland allen Kindern wohlbekannte parodistische Bild „Des Jägers Leichenbegräbnis“ aus einem alten Kindermärchenbuch. Hier werden die Tiere des Waldes portraitiert, wie sie den Sarg des verstorbenen Försters zu Grabe tragen.

Grundelement des Satzes ist der heute noch bekannte Kanon „Bruder Jakob“, eine populäre Melodie einfachster Bauart. Mahler entwickelt den Kanon jedoch nicht als unbeschwertes Studentenlied in Dur, sondern lässt durch seine Instrumentation und Phrasierung einen bizarren Trauermarsch in Moll entstehen, der trotz vielgestaltiger ironisierender Elemente einen zutiefst traurigen Unterton hat. Man kann fast meinen, dass sich Mahler bei seiner Begräbniskarikatur an das Gespiele der Blasmusik bei den Leichenbegräbnissen seiner mährisch-böhmischen Heimat erinnerte, bei denen nach der Beisetzung die Blaskapelle, kaum dass sie das Friedhofstor verlassen hatte, mit heiteren Marsch- und Polkaklängen in das nächste Wirtshaus marschierte, um die ausgetrockneten Kehlen anzufeuchten.

4. Satz
Eine Freundin Gustav Mahlers bemerkte zum vierten Satz, dass Mahler das Finale dankenswerterweise ohne größere Unterbrechung zum vorhergehenden Satz geschrieben habe, denn so konnten die vom vorhergehenden grausigen Scherz aufgewühlten Hörer nicht den Konzertsaal verlassen. Ein Hörer beschreibt Ende des 19. Jahrhunderts seinen Eindruck wie folgt:

„Wenn die Töne des Trauermarsches verklungen sind, folgt eine lange Pause. Dann auf einmal gellt das Becken, die Klarinetten und Geigen schreien schrill auf, die Pauke donnert drein, die Posaunen brüllen; mit einem Wort, alle Instrumente toben in einem verrückten Hexentanz. Dann kehren nach und nach einige Themen und Motive des ersten Teils wieder, um schließlich abermals in einem wilden Bacchanal zu ersticken.“

Mahler fand zum Schluss seiner ersten Symphonie die richtige Apotheose, obwohl seine Musik bitter und sarkastisch ist und er das Elend der Menschen im Zeitalter des Fin de siècle vielleicht sogar prophetisch schildert. Er hat in seiner Musik gezeigt, wohin die Menschheit gehen wird. Er hat die Grausamkeit der Kriege vorausgesehen. Manches klingt in diesem letzten Satz wie eine Appassionata des Untergangs einer Gesellschaft, die schon lange vor dem ersten Weltkrieg todkrank war, sich aber Gesundheit ins Gesicht geschminkt hat.

Kirsti Mehling, Juni 2010

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[expand title=“Solistin: Julia Bartha„]

Alexander Bartha, 1967 in Göttingen geboren, erhielt mit 8 Jahren seinen ersten Violinunterricht. Mit 15 Jahren ging er als Vorstudent an die Musikhochschule in Lübeck, wo er bei Prof. Haiberg studierte.

Nach mehreren Auszeichnungen auf Landes- und Bundesebene beim Wettbewerb „Jugend musiziert“ und einer regen Kammermusiktätigkeit an der Musikhochschule Lübeck, die auch Rundfunkproduktionen beinhaltete, begann er ab 1987 als Vollstudent in Lübeck zu studieren.

Seit dieser Zeit ist er regelmäßig als Solist in Deutschland wie auch in Ostasien und Westafrika aufgetreten.

Während eines dreijährigen Studienaufenthaltes in den USA bei Prof. Wallerstein am „Cleveland Institute of Music“ konnte er 1991 den Hochschulwettbewerb in Cleveland gewinnen und in der Folgezeit einige Male als Solist in Cleveland wie auch mit dem National Repertory Orchestra in Colorado auftreten. 1993 setzt Alexander Bartha sein Studium an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin bei Prof. Feltz fort und wechselte 1995 in die Klasse von Prof. Scholz. Dort schloss er sein Studium im Frühjahr 1996 mit dem Konzertexamen ab.

Von August 1995 bis Sommer 2002 war Alexander Bartha 1. Konzertmeister im Philharmonischen Orchester der Theater GmbH Altenburg-Gera.

Seitdem ist er 1. Konzertmeister im Staatstheater Wiesbaden und hat neben solistischen Auftritten und seiner Tätigkeit als künstlerischer Leiter des „Reussischen Kammerorchesters“ eine ausgiebige kammermusikalische Tätigkeit mit dem Klavierquartett „VIARDOT“. (Januar 2004)

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