Schlagwort-Archive: Serge Prokofieff

Juni 2011

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[expand title=“Giacomo Puccini – Preludio Sinfonico A-Dur“]

Nach Giuseppe Verdi ist Giacomo Puccini der wohl größte italienische Opernkomponist des Fin de Siècle. Geboren wird er 1858 in Lucca, Italien, und wächst dort in einer musikalischen Familie auf. Ehrenvoll führt er die Tradition in der Familie fort; schon sein Vater und Großvater waren Komponisten. 1880 geht er an das Mailänder Konservatorium, wo er bei Bazzini und Ponchielli studiert.
Insgesamt 12 Opern beinhaltet das künstlerische Schaffen Puccinis, welches in der Opernwelt nicht mehr wegzudenken ist. Seine letzte Oper, Turandot, hinterlässt er unvollendet – der passionierte Raucher wird 1924 wegen Kehlkopfkrebses in einer Brüsseler Klinik operiert und stirbt dort wenige Tage später.

Das Preludio Sinfonico in A-Dur ist Puccinis zweites Orchesterwerk. Es entstand bereits 1882 während seiner Zeit am Mailänder Konservatorium. Später sollte das rein instrumentale Komponieren keine Rolle mehr für ihn spielen, und auch dieses Werk ist mehr eine(Liebes-)Arie ohne Worte als ein sinfonisches Instrumentalwerk. Dennoch hört man schon sein großes Talent für orchestrale Klangfarben und weit angelegte Melodiebögen. Das für Puccinis Gesangslinien später so typische ausdrucksvolle Innehalten und Vorwärtsdrängen – die sogenannten Rubati – werden hier bereits eindrucksvoll genutzt, um eine Leidenschaftlichkeit und Zerrissenheit zu erzeugen. Der Anfang, vor allem aber das Ende mit seinen sich immer weiter vom tonalen Zentrum entfernenden Akkord(ent)rückungen sind hingegen Ausdruck seiner Auseinandersetzung mit Richard Wagners Kompositionsstil und erinnern entfernt an dessen Lohengrin-Vorspiel.
Im Prinzip findet im Preludio Sinfonico nur die Variation eines einzigen (Arien-)Themas statt. Auch wenn es keinen unmittelbaren Bezug zum Romeo und Julia-Stoff gibt, ist es gerade der changierende, widerstreitende Ausdruck dieses einen, leidenschaftlichen Themas, seine Entrückung gegen Ende und nicht zuletzt sein „typisch italienischer“ Charakter, die dieses Werk zu einer idealen Eröffnung für einen Romeo und Julia-Konzertabend machen.

Vera Weinbrenner, Juni 2011

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[expand title=“Peter Tschaikowsky – Romeo und Julia“]

Peter Iljitsch Tschaikowsky (*1840 Wotkinsk/Russland, †1893 St. Petersburg) wird als zweites von sechs Kindern geboren. Es dauert nicht lange, bis die musikalische Empfindsamkeit des Jungen und sein Interesse an der Musik deutlich werden, sodass er von 1845 an Klavierunterricht bekommt. Erst 1861, nachdem er mit zunehmenden Widerwillen vier Jahre im Justizministerium gearbeitet hatte, geht er an das gerade gegründete Petersburger Konservatorium. Hier studiert er Musiktheorie, Formenlehre, Instrumentation und Komposition. Nur fünf Jahre später, von 1866 bis 1878, unterrichtet er schließlich selber Harmonielehre, Instrumentation und freie Komposition am Moskauer Konservatorium.
Angeregt durch den russischen Komponisten Balakirew, dem das Werk auch gewidmet ist, dürfte Tschaikwosky gerade das Konflikthafte des Romeo und Julia-Stoffes gereizt haben: Die Unvereinbarkeit gesellschaftlicher Zwänge und persönlicher Passionen findet sich sowohl hinsichtlich seiner künstlerischen Entwicklung als auch im Hinblick auf sein zeitlebens unglückliches Liebesleben in seiner Biographie wieder.

Tschaikowskys Komposition folgt nicht einem Programm, geschweige denn dem Handlungsstrang des Dramas. Vielmehr greift er einzelne Momente des Stoffes auf und verbindet sie kunstvoll – ganz im Sinne einer Fantasie – zu einem neuen Ganzen.
Das Werk beginnt mit einer ausdrucksvollen langsamen Einleitung. Zwischen sehnsüchtigen Harfen-Klängen Romeos leidenschaftlicher Liebe zu Julia schimmern schon unheimliche Klänge durch, die ein finsteres Schicksal ahnen lassen.
Die sich aufbauende Spannung entlädt sich im Allegrosatz; das prächtige Thema schildert den Streit der verfeindeten Häuser Montague und Capulet. Eine Reihe von kurzen Motiven, aufgeregten 16tel-Läufen und wütenden Akkorden führen einen wilden Kampf miteinander, bis der Lärm schließlich verhallt und Julias rührendes und ruhiges Thema erscheint. In dem folgenden Allegro-Teil werden alle drei Themen kombiniert und in neuer Weise durchgeführt. Unter dumpfen Paukenschlägen erklingen noch einmal Julias zarte Melodie und Romeos Harfen-Klänge, bevor das gesamte Orchester mit Fortissimo-Akkorden den Schluss der sinfonischen Dichtung verkündet.

Die Uraufführung dieser Fantasie-Ouvertüre findet 1870 in Moskau unter der Leitung von Nikolai Rubinstein im Rahmen der Konzerte der Russischen Musikgesellschaft statt. Der Beifall hält sich jedoch in Grenzen und die Kritik führt dazu, dass Tschaikowsky immer wieder Änderungen an seinem Werk vornimmt – erst 1879 erscheint die endgültige Fassung. Trotz des ersten Misserfolges wird Romeo und Julia das erste seiner Stücke, welches auch außerhalb seiner Heimat aufgeführt wird – sehr bald ist es in fast allen europäischen Hauptstädten zu hören.

Vera Weinbrenner, Juni 2011

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[expand title=“Serge Prokofieff – Romeo und Julia, Suiten op. 64 und 101 (Auszüge)“]

Mit der bewegenden Geschichte der beiden Liebenden, Romeo und Julia, welche Shakespeare im Jahr 1596 für die Bühne geschrieben hatte, haben sich mehrere Komponisten beschäftigt. Der Ouvertüren-Vertonung von Tschaikowsky stellt die AOV im heutigen Konzert eine Vertonung gegenüber, die ihren Ursprung auf der Bühne hat. Die Ballettmusik von Serge Prokofieff verdeutlicht unter allen Vertonungen für Oper und Konzertsaal wohl am anschaulichsten das dramatische Geschehen. Für konzertante Aufführungen hat Prokofieff daraus, wie bei fast allen seinen Opern und Balletten, Orchestersuiten zusammengestellt. So entstanden schon vor der Premiere des Balletts „Romeo und Julia“ (am 30. Dezember 1938 uraufgeführt in Brünn) in den Jahren 1935/36 seine ersten beiden Orchestersuiten op. 64 a und b, etwa 9 Jahre später die dritte Suite op. 101.

Das Ballett und die Suiten „Romeo und Julia“ gelten als einer der Höhepunkte in Prokofieffs künstlerischem Schaffen. Charakteristisch für ihn sind die reichhaltige und vielfältige Instrumentierung sowie die kompositorische Finesse. Die Auswahl der Sätze aus den drei Suiten für die heutige Aufführung orientiert sich im Wesentlichen an den entscheidenden Momenten, die das Handlungsgeschehen des Dramas – unterbrochen von zwei Tänzen aus der 1. und 3. Suite – verdeutlichen:
Nach der Beschreibung der beiden verfeindeten Familien „Die Montagues und die Capulets“ im ersten Satz hört man bei dem Satz „Julia vor dem Ball“ neben den jugendlich heiteren, musikalischen Elementen auch die Unruhe und ahnungsvolle Schrecken vor der Begegnung mit Paris, der mit Billigung der Eltern auf dem Ball (musikalisch repräsentiert durch das„Menuett“) um ihre Hand anhalten will. Im Satz „Romeo und Julia“ sind musikalische Elemente aus verschiedenen Teilen des Balletts zusammengefasst: Die erste Begegnung auf dem Ball wird verbunden mit der berühmten Balkonszene. Das erste lyrische Liebeserwachen wird von Vorahnungen des nahen Unheils unterbrochen. Die dramatisch turbulenten Gefechtsszenen mit schrillen Dissonanzen in „Tybalts Tod“ erzwingen dramaturgisch „Romeos Abschied von Julia“. In diesem Satz mit schwebenden, berauschenden Klängen wird zum Ende hin in den tiefen Streichern schon ahnungsvoll das Todesthema angespielt, bis sich die melancholische Abschiedsstimmung in Pianissimo-Klängen verliert. Das schmerzvolle Todesthema in„Romeo an Julias Grab“ wird durch mehrere dramatische Variationen geführt und geht unmittelbar in „Julias Tod“, den letzten Satz, über.

Prokofieff gilt heute zu Recht als einer der bedeutendsten Komponisten der Moderne und beeinflusste mit seinem äußerst vielfältigen Werk maßgeblich das Musikschaffen der folgenden Generation. Er wurde am 23. April 1891 im heutigen Krasne in Russland geboren. Bereits früh zeigte der Sohn eines Gutsverwalters eine große musikalische Begabung, die seine Mutter nach Kräften förderte, indem sie ihm erste Unterweisungen im Klavierspielen gab. In den Jahren 1902/03 erhielt Prokofieff zunächst Privatunterricht bei dem Pianisten Reinhold Glière, um später als Dreizehnjähriger eine Ausbildung am St. Petersburger Konservatorium anzuschließen, wo er die Fächer Dirigieren und Klavier studierte. In den Jahren bis 1918 gelang es dem jungen Mann, sich durch zahlreiche Konzertreisen einen internationalen Ruf als brillanter Pianist zu erarbeiten. Gleichzeitig konnte er durch die Veröffentlichung seiner Werke erste Erfolge als Komponist feiern.
In den Wirren der Oktoberrevolution 1918 verließ Prokofieff Russland und wanderte in die USA aus. Allerdings konnte er dort nicht richtig Fuß fassen, so dass er sich 1920 in Frankreich niederließ. In den folgenden Jahren führten ihn zahlreiche Konzertreisen immer wieder in seine alte Heimat, und nach einigen Jahren des Pendelns zwischen Moskau und Paris entschloss er sich, endgültig in die Sowjetunion zurückzukehren, und hielt sich ab 1934 meist in Moskau und Umgebung auf. Hier widmete er sich voll und ganz dem Komponieren und es entstanden viele seiner bedeutendsten Werke. Zugleich war Prokofieff ein sehr engagierter Mitarbeiter an Projekten der offiziellen Kulturpolitik. Trotz seiner nach einem Unfall schlechten gesundheitlichen Verfassung blieb Prokofieff bis zu seinem Tod am 5. März 1953 unermüdlich tätig.

Kirsti Mehling, Juni 2011

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