Schlagwort-Archive: Antonin Dvorak

Winterkonzerte 2019

Drei durch volkstümliche Musik und Geschichten inspirierte Publikumslieblinge stehen dieses Semester auf unserem Programm. In „El Salón México” fängt Aaron Copland die Stimmung in einem mexikanischen Nachtklub musikalisch ein. Die Komposition war bei ihrer Uraufführung in Mexiko 1937 ein voller Erfolg, obwohl Copland zuvor Zweifel geäußert hatte, wie das durch die Brille eines Amerikaners geschriebene Werk aufgenommen werden würde. Auch „Der Feuervogel“ von Igor Stravinsky, ursprünglich als Ballett komponiert, wurde schon bei der ersten Vorstellung in Paris gefeiert. In dem impressionistischen Werk vertont der russische Komponist Geschichten und Charaktere aus drei slawischen Legenden. Mit der Sinfonie Nr. 9 des tschechischen Komponisten Antonín Dvořák spielen wir eines der bekanntesten Werke der Romantik. Die mit „Aus der neuen Welt” betitelte Sinfonie entstand während eines mehrjährigen Aufenthalts des Komponisten in New York und soll durch die Musik der Ureinwohner beeinflusst worden sein. Aufgrund seiner mitreißenden Melodien und Rhythmen zählt das Werk heute zu den am häufigsten aufgeführten Sinfonien.

Das Programm der Konzerte:
Copland – El Salón México
Stravinsky – Der Feuervogel
Dvorak – Symphonie Nr. 9

Klassische Konzerte der Akademischen Orchestervereinigung Göttingen – Ihr Sinfonie Orchester seit 1906.

Juni 2013

flyer

[expand title=“Bedrich Smetana – Die Moldau“]

„Die Moldau“, die zweite der sechs sinfonischen Dichtungen des Zyklus „Má vlast“ („Mein Vaterland“) von Bedrich (Friedrich) Smetana, ist eine der berühmtesten Kompositionen der Programmmusik. Smetana schrieb das Stück 1874, zehn Jahre vor seinem Tod, bei fast vollständiger Gehörlosigkeit. Zunächst wird am Anfang durch zwei Querflöten das Motiv der Quellen vorgestellt. Sie spielen eine bewegte Melodie, die die Lebendigkeit der Moldau-Quelle und das quirlige Wasser veranschaulichen sollen. Daraufhin setzen die Streichinstrumente mit dem bekannten Hauptthema ein, das die gesamte Schönheit und Kraft des Flusses darstellen soll. Die Noten symbolisieren die fließenden Wellenbewegungen des Wassers. Hauptthema Der folgende Teil beschreibt, wie die Moldau an einem Wald vorbeifließt, in dem eine Jagd stattfindet. Hier treten vor allem die Blechblasinstrumente hervor. Der Hörnerklang erinnert an eine Jagd, während im Hintergrund die Streicher weiterhin das fließende Wasser der Moldau erklingen lassen. Nachdem die Moldau an der Waldjagd vorübergezogen ist, gelangt sie zu einer Bauernhochzeit. Sogleich ändert sich der Rhythmus zu einem tänzerischen Lied, welches an eine Polka erinnert. Im Gegensatz zur Waldjagd stehen nun die Streichinstrumente im Vordergrund, die die bewegte Melodie in einem 2/4-Takt erklingen lassen. Der tänzerische Rhythmus klingt leise aus, bis schließlich die Moldau durch den Mondschein zu fließen scheint. Die Musik ist leise und geheimnisvoll, als wenn im Mondschein die Nymphen im Nebel tanzen würden. Im Folgenden präsentiert sich durch das Hauptthema die Moldau in ihrer gesamten Schönheit als ein großer, breiter Fluss. Das Tempo wird schneller, die Dynamik steigert sich, so dass die Musik das Getöse der Stromschnellen darstellt. Was am Anfang als eine kleine, durch die Gegend sprudelnde Quelle begonnen hat, entwickelt sich schließlich zu einem breiten majestätischen Fluss, der durch die Landschaft an Schlössern und Burgen vorbeizieht. Das Hauptmotiv wird in Variationen gespielt, bis es schließlich in Dur erklingt: Smetana lässt hier den Fluss in der Hauptstadt Prag wiedererkennen. Die Musik soll den Stolz über die Hauptstadt und das Land ausdrücken. Schließlich werden die Klänge der Moldau ruhiger und der Fluss scheint in der Ferne weiterzufließen, während der Betrachter am Ufer stehen bleibt und ihr hinterherschaut. Der Komponist selbst schreibt über sein Werk: „Die Komposition schildert den Lauf der Moldau, angefangen bei den beiden kleinen Quellen, der kalten und der warmen Moldau, über die Vereinigung der beiden Bächlein zu einem Fluss, den Lauf der Moldau durch Wälder und Fluren, durch Landschaften, wo gerade eine Bauernhochzeit gefeiert wird, beim nächtlichen Mondschein tanzen die Nymphen ihren Reigen. Auf den nahen Felsen ragen stolze Burgen, Schlösser und Ruinen empor. Die Moldau wirbelt in den Johannisstromschnellen; im breiten Zug fließt sie weiter gegen Prag, am Vyšehrad vorbei, und in majestätischem Lauf entschwindet sie in der Ferne schließlich in der Elbe.“

Eva Schiwek

[/expand]

[expand title=“Aaron Copland – Appalachian Spring“]

Aaron Copland wurde am 14. November 1900 in New York City, Brooklyn, als Sohn eines litauischen Einwanderers geboren. Schon frühzeitig wurde Copland von seiner Mutter, welche selbst sang und Klavier spielte, eine musikalische Ausbildung ermöglicht. Er gilt heute für viele als der erste wirklich große amerikanische Komponist. Bezeichnend ist für Coplands Kompositionen die Einbeziehung volksmusikalischer Elemente seiner Heimat. Copland war politisch links orientiert und sympathisierte mit den Arbeiterbewegungen seiner Zeit. Besonders deutlich wird dies in seiner „Fanfare to the common man“ (1942). In den Kompositionen „Billy the Kid“ (1938), „Rodeo“ (1942) und „Appalachian Spring“ (1944) zeichnete er Bilder des Lebens der einfachen Bevölkerung Amerikas. Während er in den 40er Jahren vor allem durch Filmmusik zu Ansehen gelangte, widmete er sich ab den 60er/70er Jahren zunehmend dem Dirigieren und der Einspielung eigener Werke. Aaron Copland starb am 2. Dezember 1990 in North Tarrytown. Das „Ballet for Martha“, wie „Appalachian Spring“ ursprünglich hatte heißen sollen, schrieb Copland im Auftrag der Choreographin und Tänzerin Martha Graham, welche in der Erstaufführung 1944 auch eine der Hauptrollen tanzte. Den heute bekannten Titel des Werkes schlug Graham erst kurz vor der Premiere vor. Er ist einem Gedicht von HartCrane entnommen und hat keinen direkten Bezug zur Balletthandlung, weshalb es Copland später immer wieder amüsierte, wenn Zuhörer von der wunderbaren musikalischen Darstellung des Frühlings in den Appalachen beeindruckt waren. Die Originalbesetzung für das Ballett umfasst ein doppeltes Streich- quartett, Kontrabass, Flöte, Klarinette, Fagott und Klavier. 1945 bearbeitete Copland die Ballettmusik zu der hier aufgeführten Orchestersuite, welche sehr bekannt wurde. Die relativ einfache Handlung erzählt von amerikanischen Pionieren zu Anfang des 19. Jahrhunderts, genauer vom Leben eines frisch vermählten Paares, welches in ein neu errichtetes Farmhaus einzieht und seinen Platz in der Gesellschaft findet. Die Suite ist in 8 Sätze unterteilt: 1. Sehr langsam. Einführung der Darsteller, nacheinander, in vollem Licht. 2. Schnell. / Allegro. Ein plötzlicher Ausbruch der einstimmigen Streicher in A-Dur-Arpeggien eröffnet die Handlung. Eine gehobene und religiöse Stimmung ergibt den Schlüsselausdruck dieser Szene. 3. Mäßig. / Moderato. Duo der Braut und ihres Verlobten, eine gespannte und leidenschaftliche Szene. 4. Ziemlich schnell. Der Erweckungsprediger und seine Herde. Volkstümliches Gefühl, Erinnerungen an Square-Dance und Country- Fiddler. 5. Noch schneller. / Presto. Solotanz der Braut, Vorgefühl der Mutter- schaft. Gegensätze von Freude, Furcht und Staunen. 6. Sehr langsam (wie zu Beginn). Übergangsszene zu einer musika- lischen Reminiszenz an die Einführung. 7. Ruhig und Fließend. / Doppio movimento. Alltagsszenen der Braut und ihres Ehemannes als Farmer. Fünf Variationen über ein Shakerthema (die Shaker waren eine Abspaltung der Quäker, einer Freikir- che). Das Thema wird von der Soloklarinette vorgestellt. Es stammt aus einer Sammlung von Shakermelodien, die Edward D. Andrews zusammengestellt hatte. Copland gelingt es mit der Melodie „Simple Gifts“ und ihrer Verarbeitung in den verschiedenen Besetzungen, die einfache Kultur, die ernste und gütige Frömmigkeit der Quäker darzustellen. Dieser Satz ist der berühmteste aus der Suite. „Simple Gifts“ 8. Mäßig. / Moderato – Coda. Die Braut gesellt sich unter die Nachbarn. Am Ende befindet sich das Paar „ruhig und kräftig in ihrem neuen Haus“. Im Schlussteil wird die gebetsartige Passage des Beginns noch einmal aufgenommen, und so wird die Suite von einfachen Tonsequenzen eingerahmt, welche den Zuhörer in die weite, offene Landschaft im Amerika des 19. Jahrhunderts versetzen.

Katharina Bettin

[/expand]

[expand title=“Antonin Dvorak – Sinfonie Nr. 8 in G-Dur“]

Antonín Dvorák (1841–1904) schrieb seine 8. Sinfonie im Jahre 1889 auf seinem Sommersitz in Vysoka anlässlich seiner Aufnahme in die Tschechische Kaiser-Franz-Joseph-Akademie. Die sehr erfolgreiche Uraufführung in Prag 1890 machte sie schnell zu einer der populärsten Sinfonien Dvoráks und ließ ihn endgültig aus dem Schatten Johannes Brahms austreten. Im Gegensatz zu Dvoráks wohl bekanntestem Werk, der 9. Sinfonie „Aus der neuen Welt“ schrieb er seine 8. Sinfonie noch in der „alten Welt“, wobei bereits diese aus der traditionellen Form der Sinfonie herausbricht. Die Sinfonie erfreute sich gerade in England größter Beliebtheit, weshalb sie oftmals auch als die „Englische“ bezeichnet wird. Im Gegensatz zu Dvoráks früheren Sinfonien ist die Grundstimmung der 8. fast durchgehend heiter, fröhlich und temperamentvoll. Der für Antonín Dvorák charakteristische Reichtum an melodischen Einfällen wird hier in einer Art rhapsodischer Reihung sinfonisch verarbeitet. Der 1. Satz (Allegro) beginnt mit einer choralartigen Einleitung von Fagott, Klarinette und Violoncello in g-Moll, dieses Thema wird im Laufe des Satzes mehrmals wiederholt. Das eigentliche Hauptthema in G-Dur wird erst später durch die Flöte intoniert, um danach im vollen Orchester zu temperamentvoller Entwicklung gebracht zu werden. Nach der Durchführung und dem Seitenthema erscheint zum dritten Mal das Anfangsthema, diesmal als Höhepunkt in den Trompeten, um die Reprise einzuleiten und den ersten Satz mit einem fast schon finalartigen Schluss zum Ende zu bringen. Den 2. Satz (Adagio) könnte man als Trauermarsch bezeichnen. Er beginnt wie der erste Satz ebenfalls in Moll, er hellt sich jedoch im Verlauf mehr und mehr auf und es kommt zu einem ständigen Wechsel von C-Dur und c-Moll. Das zweite, festlich-hymnische Thema in C-Dur wird schnell von der Solovioline aufgegriffen und bis zum vollen Tutti-Klang des Orchesters weitergeführt. Nach einigen Modulationen, die an Brahms erinnern lassen, steht am Schluss wieder das erste Thema, diesmal komplett in Dur, und lässt den Satz stimmungsvoll ausklingen. Der 3. Satz (Scherzo) ist ein Walzer im 3/8 Takt mit einer weit schwin- genden Melodik. Der Mittelteil des Scherzos, das Trio, ist stark folkloristisch angehaucht und erscheint nach der Wiederholung des Walzers als Coda wieder, diesmal jedoch in einem Zweiertakt. Der Satz erinnert stark an das Allegretto aus der 2. Sinfonie von Johannes Brahms. Das Finale der Sinfonie, der 4. Satz (Allegro ma non troppo), steht in G-Dur. Dvorák verbindet hier geradezu genial die Sonatensatzform mit der Variation. Der Satz beginnt mit einer Trompetenfanfare, die in das erste Thema, gespielt von den Celli, überleitet. Nach der anschließenden Variation dieses Themas erklingt das sehr kontrastreiche Seitenthema. Beide Themen werden nun ineinander verar- beitet und auf dem Höhepunkt durch die Wiederholung der Fanfare in die Reprise übergeleitet. Den Abschluss bildet eine turbulente Coda, die in einem gigantischen Orchestertutti die Sinfonie beendet.

Johannes Köppl

[/expand]

Januar 2011

[expand title=“Silvestre Revueltas – Sensemayá“]

Silvestre Revueltas (1899 – 1940) gilt neben Carlos Chávez als der wichtigste und mexikanischste Komponist seines Landes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Als Kind begann er mit Geigenunterricht und wurde 1913 Student am Conservatorio Nacional de Música in Mexiko Stadt, wo er Geige und Musiktheorie studierte. 1916 ging er an das San Antonio College in Texas, wo er zwei Jahre später sein Diplom in „Violin, Harmony and Composition“ erlangte.

Durch Chávez kam Revueltas mit zeitgenössischer Musik in Berührung und die beiden arbeiteten lange Zeit zusammen. Nachdem er sowohl in Mexiko als auch in den USA als Violinist tätig gewesen war, zog er 1928 zurück nach Mexiko, wo er den Lehrstuhl für Geige und die Leitung des Orchesters am Conservatorio Nacional annahm. Es begann eine kurze, aber ergiebige Zeit als Komponist und Dirigent.

Sein wohl berühmtestes Werk, Sensemayá, komponierte Revueltas in seiner letzten Schaffensperiode im Jahr 1938. Hier konnte er auf die von ihm in den vorhergehenden Jahren entwickelten Kompositionstechniken zurückgreifen und demonstrierte auf brillante Weise die Schichttechniken, mit denen er früher experimentiert hatte. Nicht selten wird das Werk auch das „lateinamerikanische Sacre du Printemps“ genannt.

Die sinfonische Dichtung „Sensemayá“; basiert auf dem berühmten gleichnahmigen Negrista-Gedicht seines Freundes Nicolás Guillén, eines kubanischen Dichters. Es schildert die Beschwörungen eines Mayombero, einer Art Schamanen, während der rituellen Opferung einer Schlange, wie sie in bestimmten afro-karibischen Kulturen praktiziert wird. Dabei wirdSensemayá, die weibliche Gottheit, angerufen. Im stellenweise nicht übersetzbaren Gedicht lässt sich jedoch erahnen, dass das sich-in-Trance-Reden durch litaneiartige Wiederholungen wichtiger ist als der eigentliche Tötungsakt.

Revueltas lässt durch den hypnotischen Grundrhythmus im 7/8-Takt, die sich überlagernden Zeitebenen der rhythmischen Motive und durch grelle Klangfarben, Dissonanzen und energisches Aufbäumen in der Musik die Begegnung mit der lebensgefährlichen Schlange dem Zuhörer bildlich vor Augen treten.

Vera Weinbrenner und Lorenz Nordmeyer, Januar 2011

[/expand]

[expand title=“George Gershwin – Klavierkonzert in F“]

George Gershwin wurde am 26. September 1898 als zweites von vier Kindern in Brooklyn, New York, geboren. Seine Eltern waren russische Juden, die von St. Petersburg nach Amerika ausgewandert waren. Nur durch Zufall begegnete er der Musik, als er seinen Schulkameraden, dem Geiger Maxie Rosenzweig, 1908 durch ein Fenster bei einem Vortrag über DvoráksHumoreske zuhörte und davon beeindruckt war.

1912 bekam er bei dem Musiker und Komponisten Charles Hambitzer Klavierunterricht. Dieser erkannte sogleich dessen Begabung und vermittelte ihm eine solide klassische Grundlage. Gershwin hatte eine besondere Affinität zu afroamerikanischen Musikern und ihrer Musik. Er experimentierte viel, synthetisierte verschiedene Stile und Traditionen und verstand sich selbst als Interpreter of American life in music.

Nach einem Konzert in Boston hieß es in der Kritik über Gershwin: „He is the beginning of the age of sophisticated jazz“. Bald wurde er als Theaterkomponist und Songtextwriter berühmt, besonders sein Werk Rhapsody in Blue brachte ihm mit der Zeit immer mehr Popularität und Wohlstand. Obwohl er noch nie ein Werk für Orchester geschrieben hatte, bekam er 1925 von der New Yorker Symphony Society den Auftrag für ein Klavierkonzert, wobei er selbst als Solist auftreten sollte. Gershwin empfand dies als eine Ehre und begann seine Arbeit am 22. Juli 1925. Vor der Uraufführung mietete er für einen Nachmittag das Globe Theatre, engagierte ein Orchester und probierte sein erstes Orchesterwerk aus.

Am 3. Dezember dieses Jahres fand die Uraufführung des Concerto in F unter Walter Damrosch in New Yorks Carnegie Hall statt. Die Kritik des Werkes war gespalten; Satz und Form wurden kritisiert, der Unterhaltungscharakter bemängelt. Damrosch dagegen meinte: „Allein der 2. Satz mit seiner träumerischen Stimmung, der an eine Sommernacht in unseren Südstaaten denken lässt, ist ein Beweis für Gershwins großes Talent.“

Auch der englische Dirigent Albert Coates war von dem Concerto in F überzeugt und sagte, es sei das bedeutendste musikalische Werk Amerikas. Gershwin hatte Wert auf die traditionelle Haltung des Werkes gelegt, aber den Jazz- und Bluesrhythmus hatte er so verinnerlicht, dass auch diese Komposition das Etikett „Jazz“ aufgestempelt bekam.

Es folgte eine weiterhin erfolgreiche Zeit, Gershwin reiste mehrmals nach Europa; einige seiner berühmtesten Kompositionen wie Ein Amerikaner in Paris entstanden zu dieser Zeit.

Auf Maurice Ravels Wunsch kam es während einer Reise nach Paris zu einem Treffen der beiden Komponisten, worauf Gershwin diesen bat, ihn zu unterrichten. Zum Bedauern Gershwins lehnte Ravel jedoch ab. „Sie sind ein erstklassiger Gershwin. Warum wollen Sie ein zweitklassiger Ravel werden?“

Nachdem sich seit 1935 seine Popularität und seine Arbeitsbedingungen immer kontinuierlich verschlechtert hatten, zeigten sich 1937 bei Gershwin erste Symptome eines Gehirntumors. Am 9. Juli 1937 fiel er ins Koma und verstarb am 11. Juli 1937.

Vera Weinbrenner, Januar 2011

[/expand]

[expand title=“Antonin Dvorák – Symphonie Nr. 6 D-Dur op. 60″]

Antonin Dvorák wurde am 8. September 1841 in Nelahozeves (Mühlhausen) in Böhmen geboren und verstarb am 1. Mai 1904.

Das kompositorische Vermächtnis Antonin Dvoráks umfasst alle Gebiete musikalischer Gestaltungsformen, in denen er auf beispielhafte Weise Einflüsse der Volksmusik, der Klassik und der Romantik miteinander verflochten hat. So findet sich neben tschechisch-folkloristischen Anklängen auch amerikanisches Kolorit.

Als seine Hauptwerke gelten unzweifelbar seine neun Symphonien, das anlässlich des Todes zweier seiner Kinder entstandene Stabat Mater, sein Requiem, das Cellokonzert h-moll, das Violinkonzert a-moll, seine Oratorien, zahlreiche Kammermusikwerke, die sechzehn Slawischen Tänze für Orchester sowie die Oper Rusalka. Das unmittelbarste Lebenselement von Antonin Dvoráks schöpferischer Phantasie ist das Orchester. Obwohl nun seine 6. Symphonie nicht zu den bekanntesten zählt, zeigt jeder Takt dieses Werkes den Komponisten in seiner vollen Reife.

Bei einem 1879 in Wien stattfindenden Konzert Dvoráks äußerte der Kapellmeister der Wiener Philharmoniker, Hans Richter, den Wunsch, Dvorák möge für sein Orchester eine neue Symphonie schreiben. Dvorák begann im August 1880 mit der Niederschrift der Skizzen und bereits am 15. Oktober lag die Partitur vollständig vor. Die Symphonie ist Hans Richter gewidmet und wurde am 25. März 1881 durch das Orchester des Tschechischen Theaters uraufgeführt. Sie war im Nachfolgenden Dvoráks erste Symphonie, die der Weltöffentlichkeit vorgestellt wurde, und trug maßgeblich zu seinen steigenden Auslandserfolgen bei.

1. Satz Es scheint, als ob im ersten Satz der Symphonie in D-Dur das Bild einer besonnten böhmischen Landschaft aufgeht, in der alles blüht, duftet und heiter ist. Die sangvolle und ausdrucksstarke Melodie der Themen, die rhythmische Frische, die harmonische Vielfalt und der bunte Wechsel der Stimmungen von zartem Geflüster bis hin zu großen dynamischen Höhepunkten erklingen im vollen Licht tschechischen Fühlens und Lebens.

Die drei Grundthemen und die bedeutsamen Ãœbergangsgedanken sind trotz ihrer scharfen stimmungsmäßigen Kontrastierung allesamt von freudigem Charakter, so dass es dem Satz weder an Lebendigkeit noch an gegensätzlichen Färbungen mangelt.

2. Satz Im warmen Licht des Gesamtwerkes stellt sich der zweite Satz als ein in gelöster Sehnsucht schwelgendes Nocturnodar. Es liegt beim Hören dieses Satzes nahe, an das herzinnige Glück und die Leidenschaft zweier schlichter Menschen zu denken, die in liebevoller Gemeinsamkeit ihren Gefühlen füreinander Ausdruck geben, während dann und wann aus der Ferne der gedämpfte Klang einer Dorfmusik herüberdringt (Poco più mosso).

Die Form ist die eines dreiteiligen Rondos (Schema: ABACABA). Im Aufbau zeigt es Beethovensche Breite und Ausdrucksfülle, im Ausdruck slawische Weichheit und Gefühlswärme.

3. Satz Der Scherzosatz stellt insofern eine Besonderheit dar, als er zum ersten Mal in einem symphonischen Gebilde überhaupt von einer Stilisierung des typischen tschechischen Tanzes Furiant gebildet wird. Durch die Aufnahme dieses Tanztypus findet die stilmäßige Einheit des heimatverbundenen Werkes eine schöne Bestätigung.

Das Wort „furiant“ bezeichnet im Tschechischen einen Bauernburschen, der in allen Lebenslagen selbstbewusst seinen Mann steht, unbeugsam in seinem Standesstolz auch jeder Obrigkeit gegenüber, also einen im Milieu des begüterten tschechischen Bauerntums einstmals recht verbreiteten Menschenschlag. Davon erhielt der Dorftanz Furiant seinen Namen, ein hurtig bewegter Tanz mit wechselnder Taktart und scharfen, höchst bezeichnenden Akzentverteilungen.

Das Trio (Poco meno mosso) mit seiner plötzlichen Ruhe, dem gemächlichen Rhythmus und den langgezogenen Melodien kontrastiert eindrucksvoll mit den beiden Eckteilen, die von munteren, ausdrucksvollen, zweizeitigen und dreizeitigen heftigen Rhythmen geprägt sind.

4. Satz Die Krone der freudvollen Stimmung setzt der Symphonie ihr letzter Satz auf, der nicht allein in seinen Themen, sondern auch in deren Verarbeitung, in den übermütigen Imitationen und seinen kontrapunktischen Fügungen herzhaftes Lachen, munteres Tollen und freudiger Gesang ist. Er endet in feierlich gesteigertem Ausdruck und glanzvollem orchestralen Klang.

Der Schlusssatz wie auch das ganze Werk zeigen, dass besonders Dvoráks Symphonien mit ihrer von Werk zu Werk steigenden Schönheit des musikalischen Gehaltes, mit ihrer wachsenden persönlichen Eigenart und dem immer ausgeprägteren nationalen Gefühl Antonin Dvorák den bedeutendsten Symphonikern der Weltmusik zugestellt haben. Zugleich sind sie die Grundbausteine seiner überragenden Bedeutung für das tschechische Musikschaffen überhaupt. Denn es steht ganz außer Frage, dass Antonin Dvorák der eigentliche Begründer der tschechischen Symphonie und für lange Zeit auch ihr Vollender ist.

Kirsti Mehling, Januar 2011

[/expand]

[expand title=“Solist: Alexander Schindler„]

schindlerAlexander Schindler, 1983 in Managua (Nicaragua) geboren, begann im Alter von 3 Jahren mit Violinunterricht und erhielt vom 6. Lebensjahr an seinen ersten Klavierunterricht bei Brigitte Harder in Göttingen. Im Sommer 1999 wechselte er zu Christiane Breuer. Im Jahr 2000 bekam er, zusammen mit seiner Duopartnerin Lisa-Sophie Breuer, einen ersten Preis beim Landeswettbewerb „Jugend musiziert“ in der Wertung „Klavier vierhändig“ in Hannover.

2001 wechselte er zum Jazz-Klavier über, wo er die ersten Jahre vom Göttinger Jazzpianisten Karsten von Lüpke unterrichtet wurde. Seit 2003 wird er von Christoph Buße, einem der derzeit renommiertesten Jazzpianisten Deutschlands, betreut.

Alexander Schindler war Mitglied der Big Band „Jazzaholics“ des Otto-Hahn-Gymnasiums Göttingen, mit der er im September 2004 beim Jazz-Festival im Deutschen Theater Göttingen auftrat und eine CD aufnahm. Er ist zudem Pianist der Jazzformation „Hawthorn Quartett“ sowie Keyboarder der Göttinger Reggae-Band „Tora Bora Allstars“, mit der er bereits in mehreren Bundesländern aufgetreten ist.

Alexander Schindler studiert Germanistik und Anglistik an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Neben seinem Studium tritt er regelmäßig bei diversen Veranstaltungen als Pianist auf.

Nach der Aufführung eines Tangostücks für Streichorchester und Soloklavier des argentinischen Komponisten Astor Piazzolla im Sommer 2003 ist das heutige Konzert die zweite Zusammenarbeit mit der Akademischen OrchesterVereinigung Göttingen. (Juni 2006)

[/expand]

Januar 2010

[expand title=“Samuel Barber – First Essay op. 12″]

In einem Jahr wie diesem, wo die Geburtsjubiläen von Robert Schumann und Gustav Mahler gefeiert werden, wird der 100. Geburtstag von Samuel Barber im deutschen Musikleben vermutlich nur eine marginale Rolle spielen. Zwar steht Barbers berühmtes Adagio for strings auch hierzulande ganz oben auf den „Hitlisten” klassischer Musik, ansonsten führt sein Werk aber eher ein Schattendasein. Während Barber in Nordamerika neben Copland, Gershwin und Ives zu den wichtigsten stil- und identitätsprägenden Komponisten gezählt wird, haftet ihm in Mitteleuropa eher der Makel an, zu melodiös und „harmonisch”, letztlich nicht wirklich „modern” im Sinne des zum Dogma erhobenen „musikalischen Fortschritts” zu sein.

1937 bat Arturo Toscanini, der damals zusammen mit Furtwängler namhafteste Dirigent, den jungen und noch relativ unbekannten Barber, ihm mögliche Werke für eine Uraufführung mit dem neu gegründeten NBC Symphony Orchestra zu senden. Die Partitur des Essay for Orchestra (so der Originaltitel; später entstanden noch zwei weitere Essays, so dass der Name First Essay notwendig wurde) entstand in relativ kurzer Zeit, wurde aber von Toscanini kommentarlos an Barber zurückgesendet. Dieser war verständlicherweise enttäuscht und ließ sich ein Jahr später während eines Italien-Aufenthalts, als er von Toscanini eingeladen wurde, mit der Ausrede einer Erkrankung entschuldigen. Toscanini ahnte jedoch den wahren Grund der Absage und ließ Barber mitteilen, dass dies nicht notwendig sei: Das Werk gefalle ihm ausgesprochen gut, so gut sogar, dass er es sofort auswendig gelernt habe. Diese Einschätzung bestätigte die Uraufführung im Jahr 1938, die zu einem der Grundsteine für den Erfolg Barbers wurde.

Obwohl es bereits im 19. Jahrhundert äußerst verbreitet war, Charakterstücken literarische Bezeichnungen wie Ballade, Romanze oder Rhapsodie zu geben, ist der von Barber gewählte Titel Essay für die Musik neuartig. Der Essay als literarische, vor allem im anglo-amerikanischen Sprachraum auch journalistische Gattung, will eine zu Anfang aufgeworfene Frage entfalten, beleuchten und diskutieren. Er verzichtet dabei auf eine streng wissenschaftliche Beweisführung, versucht stattdessen, bewusst subjektiv eine Problemstellung geistreich, kunstvoll, mitunter auch humorvoll zu erhellen. Diese experimentelle Annäherung zielt eher auf einen Deutungsversuch hin als auf eine letztgültige Lösung.

Barber folgt kompositorisch der „essayistischen Methode” in vielfältiger Weise: Im langsamen Anfangsteil stellt er zunächst einen musikalischen Gedanken vor, der motivisch im Prinzip nur um die beiden Intervalle kleine Terz und kleine Sekunde kreist. Aus diesen spinnt er aber immer wieder neue Gestalten und Konstellationen fort – er entwickelt sozusagen den Ausgangsgedanken. Im zügigeren Mittelteil werden diese Möglichkeiten „ausdiskutiert”: Die „Argumentation” erfolgt motorisch straffer und zielstrebiger als im Anfangsteil. Die Gedankengänge werden motivisch und instrumentatorisch kleinteiliger verkettet, greifen logisch ineinander und spielen dennoch vielgestaltig Variationsmöglichkeiten durch und stellen sie dem schließlich vom Horn und der Cellogruppe wieder aufgeworfenen Anfangsgedanken dialektisch gegenüber. Die zunehmend rasante Entwicklung kulminiert schließlich äußerst eindrucksvoll in einem finalen Höhepunkt. Der essayistischen Anlage folgend bleibt der Schlussteil dennoch offen, indem sich die Musik zu entfernen scheint und nur noch der Anfangsgedanke, allerdings in lichter und „purer” Gestalt zurückbleibt.

Betrachtet man die kompositorischen Entwicklungen des 20. Jahrhunderts in ihrer globalen Vielfältigkeit und nicht nur im anfangs erwähnten verengten Fokus der mitteleuropäischen Avantgarde, so scheint gerade das Komponieren an den Bruchkanten einer in Frage gestellten Tonalität seit Beginn des 20. Jahrhunderts an Bedeutung zu gewinnen. Indem Barber ein äußerst reduziertes Ausgangsmaterial sehr konsequent und vielgestaltig permutiert, das Intervallmaterial zum Ausleuchten seiner ganz eigenen tonalen Möglichkeiten nutzt, gleichsam den Hörer zu „eigenen Ergänzungen” auffordert, ist er ein äußerst moderner, in jedem Fall interessanter Vertreter des 20. Jahrhunderts.

Lorenz Nordmeyer, Januar 2010

[/expand]

[expand title=“Antonin Dvorak – Konzert für Cello und Orchester h-moll op. 104″]

Antonin Dvorak war schon als Kind von Musik umgeben. Der Vater spielte Violine und Zither und galt als guter Sänger, nahe Verwandte waren Trompeter und Geiger. 1847 wurde der Sechsjährige Violinschüler des Dorfschullehrers. Später hatte er beim Deutschlehrer Klavier-, Orgel-, Bratschen- und Theorieunterricht, wurde mit großer Musik, besonders Beethoven, bekannt gemacht und in seinen ersten Kompositionsversuchen gefördert. Danach besuchte er eine deutsche Schule, war aber vor allem auf der Orgelbank und vor dem Chor zu finden, wo er inzwischen den Lehrer oft bei den Gottesdiensten vertreten konnte.

1859 schloss Dvorak erfolgreich die Orgelschule in Prag ab, wurde aber dann Bratscher im Orchester von Karl Komzak, das ab 1862 auch im Prager Interimstheater, dem Vorläufer des Nationaltheaters, auftrat und 1865 im Opernorchester aufging. 1866 übernahm Smetana die Leitung, ein Glücksfall für den ersten Bratschisten, der nun seine bereits beachtliche Werkkenntnis um u. a. Berlioz, Liszt, Tschaikowski, Glinka, Rossini und Gounod erweitern konnte. Zur Aufbesserung seines kümmerlichen Gehalts erteilte Dvorak ab 1865 Klavierunterricht, auch den Schwestern Cermakova – in die ältere Josefina war er unglücklich verliebt, die jüngere Anna sollte acht Jahre später seine Frau werden.

1871 verließ Dvorak das Orchester, um sich seinen Studien und dem Komponieren zu widmen. Erst 1873 zeigte sich mit dem überwältigenden Erfolg des Hymnus op. 30, dass hier ein bedeutender Komponist heranreifte.

Die Bewerbung um ein Wiener Stipendium brachte den Kontakt mit dem späteren Freund Brahms, der ihn an den Berliner Verleger Simrock vermittelte. Es folgten weitere Konzerte und Reisen nach England und Russland. 1891 erhielt Dvorak eine Professur für Komposition in Prag und folgte ein Jahr später einer Einladung nach New York. Er unterrichtete junge amerikanische Talente und hegte große Hoffnungen für die kommende Entwicklung, basierend auf „der Grundlage der Lieder […], die Negermelodien genannt werden”.

Den Sommer 1893 verbrachte Dvorak im ländlichen, tschechisch geprägten Spillville, Iowa, wurde auf der Rückreise in Chicago bei der Weltausstellung gefeiert und rief angesichts der Niagarafälle aus: „Sakra, das wird eine Symphonie in h-Moll”. Erhaltene Skizzen und Notizen deuten auf das spätere Cellokonzert, das dann 1894/95 während des zweiten Aufenthalts in den USA entstand. Gewidmet ist die „10. Symphonie mit obligatem Cello” dem Freund Hanus Wihan. Da dieser aber zu viele änderungen vorschlug und sogar eine eigene Kadenz einfügen wollte, wandte sich Dvorak an den englischen Cellisten Leo Stern, der zum Studieren des Werkes eigens nach Prag anreiste und dann am 19. März 1896 in London unter der Leitung des Komponisten die Uraufführung spielte.

Dagmar Escudier, Januar 2010

[/expand]

[expand title=“Dmitri Schostakowitsch – Symphonie Nr. 1 f-moll op. 10″]

Dmitri Schostakowitsch, geboren 1906, war eigentlich kein Wunderkind. Er begann erst mit neun Jahren, Klavier zu spielen; bis dahin hatte er kein besonderes Interesse an Musik gezeigt, auch wenn im elterlichen Haushalt regelmäßig musiziert wurde – immerhin war seine Mutter gelernte Pianistin. Schnell aber stellte sich heraus, dass er eine besondere musikalische Begabung und ein fast absolutes Gehör hatte.

Die Eindrücke der revolutionären Umbrüche, die er in seiner Heimatstadt St. Petersburg mit zehn Jahren hautnah miterlebte, die Not der Bevölkerung, die Kämpfe, begann er kurz darauf in Kompositionen umzusetzen. „Dass mich die Revolution zum Komponisten gemacht hat”, sagte er viel später, „das mag vielleicht überspitzt klingen – von da an jedenfalls fühlte ich mich zum Komponieren berufen.”

Er machte trotz aller umgebenden widrigen Umstände große Fortschritte. Mit 13 Jahren spielte Schostakowitsch dem Leiter des Petersburger Konservatoriums, Alexander Glasunow, vor. Dieser bedeutete den Eltern, es sei höchste Zeit, dass ihr Sohn (der die Handelsschule besuchte) an das Konservatorium komme.

Alexander Glasunow blieb während der Zeit am Konservatorium Schostakowitschs Förderer, auch wenn er ihn nicht unterrichtete und seinen Kompositionen kritisch gegenüberstand. Als Schostakowitschs Vater 1922 überraschend starb, war der junge Dmitri gezwungen, zum Familieneinkommen beizutragen. Er begleitete Stummfilme am Klavier und erlangte so auch schon eine gewisse Bekanntheit. Glasunow setzte sich für ein Stipendium ein, damit sich der äußerst fleißige und disziplinierte Schüler mehr dem Studium widmen konnte. Elemente von Filmmusik allerdings lassen sich in vielen Werken von ihm finden.

1923, mit knapp 17 Jahren, legte Schostakowitsch seine Prüfung als Pianist ab; mit 19 Jahren schließlich reichte er seine Diplomarbeit im Fach Komposition ein: seine erste Sinfonie in f-Moll.

Sie wurde unter anderem dem Dirigenten Nikolai Malko zur Begutachtung vorgelegt. Malko hatte schon drei Jahre zuvor Schostakowitschs „Scherzo für Orchester” kennengelernt, das er als „schulmäßiges Werk eines talentierten Schülers” einschätzte. Mit dem Urheber der Sinfonie jedoch stand „ein vollkommen anderer Komponist” vor ihm, das Werk trug in positivem Sinne nicht den sonst bei Kompositionsanfängern üblichen „akademischen Stempel”. Malko bemühte sich um eine Aufführung der Sinfonie; dies geschah am 12. Mai 1926 mit großem Erfolg beim Publikum, das Scherzo musste wiederholt werden. Innerhalb der nächsten zwei Jahre wurde die Sinfonie bis nach Amerika verbreitet, Schostakowitsch war mit einem Schlag bekannt.

Der erste Satz der Sinfonie trägt oft erstaunlich kammermusikalische Züge, und immer wieder wird die Erwartung auf sinfonisch große Partien durch überraschende Wendungen nicht erfüllt. Eine gedämpfte Trompete stellt das Thema der Einleitung vor, das Fagott setzt dazu im Dialog einen Kontrapunkt. Beide Teile werden auf vielfache Weise variiert. Nach einer zwischenzeitlichen Beruhigung setzt das eigentliche Thema, von der Klarinette gespielt, über einem trockenen, fast marionettenhaften Marsch ein; das Thema ist aus dem Kontrapunkt vom Anfang entwickelt. Als zweites Thema erscheint ein luftiger Walzer. Beim erneuten Auftreten des Marsches schließlich entwickelt sich dieser zu einem grotesken, banalen Zerrbild. Es folgt, ganz im Sinne der klassischen Sonatenhauptsatzform, die überleitung zur Reprise, wenngleich das erste Thema barsch weggefegt wird. Am Ende erscheint wieder die kammermusikalische, schalkhaft unbeschwerte Stimmung der Einleitung.

Den zweiten Satz hat Schostakowitsch als Scherzo gesetzt, das in klassischen Sinfonien der dritte Satz ist. Die Einleitungstakte sind wohl als böser Musikerwitz zu deuten: Celli und Bässe spielen dieselben Töne, aber die Bässe schleppen dank längerer Notenwerte den Celli hinterher. Es folgt ein wirbelndes Scherzo, bei dem zum ersten Mal in dem Werk das Klavier zum Einsatz kommt – hier zeigt sich der Pianist Schostakowitsch. Das nach der klassischen Form erwartete Trio als Mittelteil ist sehr ruhig gestaltet, die Holzbläser spielen eine volksmusikhafte Weise. Im zweiten Scherzoteil vereinen sich das Scherzo- und das Triothema, Letzteres nun auch im Vierertakt. Am erwarteten Ende bricht Schostakowitsch mit der Tradition und lässt das Klavier hämmernd einen kurzen, unwirklichen Schluss einleiten.

Nach der Komposition der ersten beiden Sätze schreibt Schostakowitsch an einen Freund: „Es wäre besser, dieses Werk Sinfonie-Groteske zu nennen.” Die letzten beiden Sätze der Sinfonie, die eine Einheit bilden, sind dagegen ‚ernsthafter’ komponiert. In ruhige, sich über lange Zeiträume entwickelnde Linien des Orchesters im dritten Satz streuen die Trompeten eine charakteristische Figur, die als Schicksalsmotiv gedeutet werden kann. Dieses bleibt zunächst unbeachtet, schiebt sich aber immer weiter in den Vordergrund. Zwischendurch wieder verdrängt, wird es am Ende zart verklärt.

Im Finalsatz sind wieder wechselnde Stimmungen wie im ersten Satz Programm, wenn auch nicht mit heiterer Grundstimmung. Anklänge an die vorangegangenen Sätze werden hörbar. In eine Generalpause bricht die Pauke mit der Umkehrung des Schicksalsmotivs aus dem dritten Satz. Es wird im Weiteren vermehrt aufgegriffen, durch die Umkehrung der Linie nach oben mit positiverer Wirkung. Aus dieser Aufwärtsbewegung entsteht das abschließende Presto. Eine versöhnliche Auflösung in Dur ist jedoch nicht möglich.

Karsten Roeseler, Januar 2010

[/expand]

[expand title=“Solist: David Drost„]

drost

1978 in Göttingen geboren, erhielt David Drost mit acht Jahren seinen ersten Cellounterricht bei Joachim Müller. Von 1998 bis 2006 absolvierte er ein Cellostudium an der Universität der Künste Berlin, u. a. bei Wolfgang Boettcher (Abschluss mit dem Konzertexamen) sowie 2000/01 als Fulbrightstipendiat an der Juilliard School New York bei Zara Nelsova.

Er belegte Meisterkurse bei Wolfgang Boettcher, Frans Helmerson, Marc Johnson, Martin Löhr und Heinrich Schiff.

David Drost ist sowohl als Cellist wie auch als Pianist mehrfacher Bundespreisträger beim Wettbewerb „Jugend musiziert”. 1997 erhielt er ein Stipendium zur Teilnahme am Eastern Music Festival in Greensboro, North Carolina, wo er mit dem Cellokonzert von Antonin Dvorak den „Concerto Competition” gewann. David Drost war Mitglied und Solocellist des Bundesjugendorchesters und des European Union Youth Orchestra. Nach Aushilfstätigkeiten bei verschiedenen Berliner Orchestern (Berliner Philharmoniker, Deutsches Symphonie-Orchester, Orchester der Deutschen Oper) und als Solocellist der Radio-Philharmonie Hilversum ist er seit 2006 Mitglied des Konzerthausorchesters Berlin.

Als Mitglied der „Berliner Cellharmoniker” nahm er an zahlreichen internationalen Musikfestivals teil (u. a. Schleswig-Holstein, Rheingau, Mecklenburg-Vorpommern) und wirkte an Fernseh- und CD-Aufnahmen mit. (Januar 2010)

[/expand]